Türkisgrüner Winter (German Edition)
mich damit nicht endlich in Ruhe lassen?
»Mama!«, zischte ich.
Sie zuckte zusammen. Offenbar hatte sie nicht bemerkt, dass ich ebenfalls zuhörte.
»Was denn?«, fragte sie jedoch und hob die Schultern. »Ich mache mir nur Sorgen. Wenn du in zehn Jahren ankommst und mir sagst, dass du eine Beziehung mit einer Frau führst, kann ich mir ewig Vorwürfe machen.«
Mein Mund stand so weit offen, dass man ohne Probleme einen ganzen Tennisball hätte hineinstecken können.
»MOM!«, fauchte ich eindringlicher und wäre am liebsten im Erdboden versunken.
»Man darf sich ja wohl Gedanken machen, oder?«, fragte sie. »Emely, ich möchte irgendwann Enkelkinder haben. Ich will nicht, dass du aus reiner Verzweiflung lesbisch wirst.«
Ich schloss den Mund, biss die Zähne fest aufeinander und krallte mich mit den Händen in die Couch. »Man wird nicht aus ›Verzweiflung‹ lesbisch – entweder man ist es, oder man ist es eben nicht! Und ich kann dir garantieren, dass ich es nicht bin! Wäre ich es aber, würde ich dich mit Sicherheit nicht nach deiner Erlaubnis fragen! Und Kinder will ich so oder so keine, damit wirst du dich abfinden müssen!«
»Ach, das sagst du jetzt «, sagte Carla und winkte ab.
»Nein, das sage ich nicht jetzt , das ist eine Tatsache! Und nun hör gefälligst damit auf, mir zwanghaft einen Mann suchen zu wollen! Es ist eben keiner da, akzeptier das!«
Ich sah Alex Luft holen, so als wäre ihr spontan doch jemand eingefallen. Mit einem Blick, der all meine Mordgedanken widerspiegelte, die sie beim Aussprechen dieses einen bestimmten Namens erleiden müsste, brachte ich sie jedoch dazu den Mund zu halten. Weise Entscheidung!
»Wieso wehrst du dich denn so dagegen?«, fragte meine Mutter.
»Ich … Argh!« Am liebsten hätte ich eins der herumliegenden Sofakissen in tausend Einzelteile zerrissen.
»Sebastian«, sprach sie weiter. »Hast du denn keinen netten Freund, den du Emely mal vorstellen könntest?«
Wow.
Wäre das nicht mein Leben gewesen, aus dem gerade eine Satire gemacht wurde, ich wäre wahrscheinlich in schallendes Gelächter ausgebrochen. Meine Mom hatte es geschafft: Ich konnte nicht mehr tiefer sinken.
Noch ehe Sebastian etwas erwidern konnte, fuhr mein Vater dazwischen. »Lass gut sein, Carla«, sagte er, ruhig aber bestimmt.
»Halt du nur wieder zu ihr«, antwortete sie. »Ich möchte dein Gesicht sehen, wenn sie mit dieser Eva vor unserer Tür steht.«
Unterstellte mir meine Mutter gerade ein Verhältnis mit Eva?
Falscher Film. Eindeutig falscher Film! Könnte hier endlich jemand »Cut« rufen?
»Selbst wenn es so wäre, könntest du nichts dagegen tun, Schatz«, sagte mein Vater. »Emely ist noch nicht einmal vierundzwanzig. Glaubst du nicht, dass es noch ein bisschen sehr früh ist, um Torschlusspanik zu bekommen? Sie wird schon einen Mann finden, habe Vertrauen in deine Tochter. Außerdem muss sie glücklich sein, nicht du. Und Emely scheint kein Problem mit ihrem Singledasein zu haben, also solltest du das auch nicht.« Mein Vater trank einen Schluck Glühwein, ehe er fortfuhr. »So – und jetzt sollten wir das Thema nicht noch weiter vor allen anderen ausbreiten. Ich glaube, du hast deine Tochter bereits genug blamiert.«
Mein Papa war der größte Schatz, den es auf diesem Erdboden gab. Ich konnte nichts anderes tun, als seine Worte mit einem ständigen Nicken zu unterstreichen: Da hast du‘s gehört, Mom, da hast du‘s gehört!
Carla machte keinen Hehl daraus, wie sehr sie von der Antwort meines Vaters genervt war und trug ihren »Jetzt haben sie wieder ihr Vater-Tochter-Bündnis«-Gesichtsausdruck.
»Nun gut, Karsten, aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt«, murmelte sie schließlich und verschränkte die Arme vor der Brust.
Zwar war das Thema damit beendet, aber das bereits Gesagte schwebte trotzdem im Raum und war leider nicht mehr rückgängig zu machen. Alena, Ingo und Alex trugen ein Schmunzeln im Gesicht, während Sebastian in Richtung Sessel sah. Ich folgte seinem Blick nicht. Drei amüsierte Gesichter reichten mir, ich brauchte nicht noch ein viertes.
Mir blieben nicht mal fünf Minuten Zeit mich zu erholen, da hatte Alena auch schon den nächsten Anschlag auf mich in petto.
»Mir fehlt noch ein Foto von all meinen Kindern. Setzt euch doch mal zusammen.«
Wenn Alena von »all ihren Kindern« sprach, bezog das auch meine Person mit ein.
Warum. In. Gottes. Namen. War. Ich. Heute. Hierher. Gekommen?
»Da gibt es Programme für den
Weitere Kostenlose Bücher