Türme Der Dämmerung
dich! Scher dich weg!«
»Was habe ich getan?«
»Es geht nicht darum, was du getan hast, sondern was du bist. Du sitzt so verdammt selbstzufrieden da. Du bist so durcheinander, dass du nicht einmal weißt, dass du unehrlich bist. Und jetzt geh mir aus den Augen.«
Der junge Mann mit dem Silberhaar zieht sich zurück. Sogleich hört er, wie der Riegel vorgeschoben wird, als er sein Gemach betritt.
In der Dunkelheit steht er noch lange am Fenster und lauscht dem Rauschen der Brandung und dem Säuseln des Windes, bis das Licht in Megaeras Gemach gelöscht ist und Wolken das mit Diamanten besetzte Band am Firmament verdunkeln, an dem der Nordstern steht – und angeblich der Himmel.
Allmählich schläft er ein … doch sehr unruhig.
LXXXIII
M egaera beugt sich und pariert geschickt den Stab der jüngeren Soldatin der Garde mit dem ihren. Dann stößt sie zu.
»Hoppla!«
»Der Stoß war zufrieden stellend, doch hast du am Schluss nachgelassen und nicht sofort nachgesetzt«, erklärt die Soldatin der Elitetruppe. »Dies ist kein Duell. Du kämpfst, um zu töten und dich vor dem Tod zu schützen.«
Die Rothaarige wischt sich die Stirn und schaut auf dem Hof umher, wo die Garde von Westwind übt. Niemand hat ihr besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Drei Paare der Garde setzen ihre Übungen fort. Der Rest arbeitet daran, mit Steinen und Holz die Unterkünfte auszubauen. Drei helfen Creslin beim Bau der Residenz auf den Klippen.
Warum sich alle so darum reißen, ihm zu helfen, begreift sie nicht. Sie presst die Lippen zusammen und packt den Stab fester.
»Nicht so fest halten, dass deine Finger weiß sind«, tadelt die Ausbilderin.
Megaera bemüht sich, locker zu lassen. Bald schon muss sie sich mit Klerris und Lydya treffen, um am Glas zu arbeiten.
»Versuch’s noch mal«, fordert die Ausbilderin sie auf. »Denk daran: Immer wartet jemand darauf zuzuschlagen.« Dann geht sie zum nächsten Paar. »Halt. So bringt ihr euch gegenseitig um.«
Megaera holt tief Luft und geht wieder in Kampfstellung. Wenn Klerris recht hat, wird die Klinge bald ihre einzige verlässliche Verteidigung sein.
Ihre Schultern schmerzen bereits, an den Armen hat sie unter den langen Ärmeln mehr blaue Flecke, als sie es je für möglich gehalten hätte.
»… die Garde von Westwind … das sind nicht die einzigen … gefährlichen Kämpferinnen …«, stößt sie beim Kampf hervor.
»Hoppla!«
Diesmal muss sie den Hieb einstecken.
»Alles in Ordnung, Herrin?« fragt die junge Soldatin.
»Mir geht’s gut. Auf ein Weiteres.«
Sie müsste gehen, doch scheint es nie genügend Zeit für alles zu geben, und sie fragt sich, wie Creslin so viele Vorhaben gleichzeitig durchführen kann. Sie ist wütend auf ihn, wegen seiner Sturheit und weil er einfach nicht begreift.
»Sei verdammt.« Sie stellt sich vor, Creslin sei ihr Gegner, nicht die junge Soldatin. Ihr Stab saust schneller durch die Luft. Sie beachtet die Magenschmerzen nicht.
LXXXIV
A m Spätnachmittag bricht die Sonne durch die Wolken über dem Meer im Nordwesten und scheint durch das schmale Fenster in die alte Feste.
»Die Sache mit dem Schankraum läuft nicht nach Plan.« Hyel macht ein finsteres Gesicht. »Meine Männer sitzen auf der einen Seite und die Garde auf der anderen – und wirft feindselige Blicke herüber. Nur die Fischerweiber, die einschenken, sind froh, weil alle mehr saufen, wenn sie nicht reden. Übrigens haben wir auch nicht genügend zu trinken.«
»Lass deine Männer … ach, ich weiß auch nicht. Vielleicht liegen wir eine Zeitlang auf dem trockenen, aber bald werden die Obstgärten mehr als genug tragen, so dass wir jede Menge Trinkbares bereiten können.« Creslin denkt an Obst und Getreide. »Vielleicht können wir etwas mit den purpurroten Beeren anfangen, die auf den Klippen wachsen. Gibt es jemanden in der Feste, der Alkohol selbst herstellt?«
»Etliche«, gibt Hyel zu. »Aber ich möchte das Zeug lieber nicht trinken.«
»Setze sie auf halben Dienst, wenn sie die Beeren sammeln und daraus etwas brauen. Doch ehe jemand trinkt, sollten Megaera, Klerris oder ich die Fässer und die sonstigen Gefäße begutachten, in die sie das Gebräu abfüllen.«
Jetzt macht er sich nicht nur Sorgen wegen der Unterkünfte und der mangelnden sanitären Einrichtungen in der ausgebauten Feste, sondern auch wegen des Bettzeugs … und dann muss er eine Brennerei planen! Megaera arbeitet mit Shierra am weiteren Ausbau der Feste. Sie verwenden
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