Türme Der Dämmerung
Zügel, die er sich um die Hand wickelt, in der er auch das Messer hält. So scheint es zu klappen, auch wenn er im Schneegestöber fast die Hand nicht mehr vor den Augen sehen kann. Zumindest sind beide Pferde in Bewegung, und noch hat keiner sein Vorhaben bemerkt. Noch nicht.
Ein Ski hängt nur noch lose herunter. Er lässt ihn hängen und widmet sich dem zweiten. Schließlich gelingt es ihm, beide Skier loszuschneiden. Um ein Haar wäre er auf dem rutschigen Steinboden gestolpert. Creslin schwankt ein wenig, während er sich bemüht, mit dem Packpferd Schritt zu halten und das Schneegestöber weiterhin aufrechtzuerhalten.
»Wo ist der Prinz?« ruft Heldra.
Creslin lässt die Zügel seines Pferdes los. Er weiß, dass das Tier stehen bleiben und die Nachhut nur ein reiterloses Pferd vorfinden wird. Er klettert über die niedrige Steinmauer rechts von der Straße und befestigt die Riemen der Skier an seinen Stiefeln, erst am linken, dann am rechten. Dazu hüllt er sich in dichte Schneewirbel.
»Er ist vom Pferd gefallen!«
»Sucht ihn!«
»… in dem Schneesturm kann ich nichts erkennen.«
»… verdammt, wo steckst du?«
Schnell zieht er den zweiten Riemen so fest er kann. Mit einem Ruck holt er die dicken Handschuhe hervor und stülpt sie sich über seine fast tauben Finger. Dann stößt er sich mit aller Kraft von der Mauer ab, um nicht sofort in den Tiefschnee einzusinken.
»Kommandantin! Er hat die Straße verlassen! Die Skier sind weg!«
Creslin schlingert den Hang hinunter. Der Pulverschnee reicht ihm bis zu den Knien; durch eine beherzte Gewichtsverlagerung und steigende Geschwindigkeit gelingt es ihm, die Skispitzen aus dem Schnee herauszubekommen. Der Wind peitscht ihm ins Gesicht und in die Augen und dringt selbst durch seine dicke Kleidung.
Ein Schlag auf den rechten Ski lässt ihn schlingern, doch er verlagert geschickt sein Gewicht nach hinten und nach links und kommt so wieder auf die richtige Spur. Kerzengerade darf er nicht hinabfahren, das würde selbst für ihn den sicheren Tod bedeuten.
Ein weiteres Mal muss er ausgleichen, er verlagert das Gewicht auf die Bergseite und hofft, dass er sich so lange auf den Skiern halten kann, bis er außer Reichweite für die Garde ist. Ihnen stehen nur wenige Skier zur Verfügung, er hat also eine Chance. Eine ziemlich gute sogar, denn auf diesem Gelände kennt er sich aus, hier sind seine Überlebenschancen größer als am intrigenreichen Hof.
Eine Felsengruppe taucht vor ihm aus dem dünner werdenden Schneevorhang auf, und er wagt eine scharfe Kehre.
Das Holz vibriert unter seinen Stiefeln, die Bindung drückt sich durch die schweren Lederstiefel. Doch er kann sich auf den Skiern halten und saust geradewegs hinab in einen engen Talkessel.
Hinter ihm ziehen sich die Schneespuren über den Hügel, zeichnen Bögen in das Fels und Eis bedeckende Weiß. Doch er kann es sich nicht leisten zurückzublicken und konzentriert sich sogleich wieder auf die Schneedecke vor ihm: Unberührt und jungfräulich wie er liegt sie da; ihre Tiefe will er lieber nicht ergründen.
Genau wie er, denkt er mit einem bitteren Lächeln, wird auch der Schnee vom Wind tiefgefroren, denn noch immer fliegt er geradezu nach unten. Er ist zu schnell, die kalte Luft dringt selbst durch seine wasserdichte, gefütterte Kleidung und vor allem in sein ungeschütztes Gesicht.
Plötzlich gibt es einen Ruck, er taumelt, stürzt. Creslin zieht die kurzen Skier so dicht an den Körper wie möglich und rollt mit wild um sich schlagenden Armen hangabwärts …
Als er endlich zum Stillstand kommt, schmerzt sein Hinterteil gewaltig, und ein Knöchel ist offenbar verstaucht. Schnee dringt an die unmöglichsten Stellen unter der Kleidung, und er liegt mit den Beinen zum Hang.
Langsam dreht er sich und hebt die Skier, obgleich er nichts sehen kann, über sich hinweg hangabwärts. Kalter Schnee ist unter seine dicke Jacke und das Wollhemd gedrungen.
Noch etwas wackelig auf den Beinen, wischt sich Creslin den Schnee aus dem Gesicht und sieht sich um. Fast eine halbe Meile ist er hinuntergerollt, bis ihn schließlich ein Schneehügel aufgehalten hat, aus dem nun ein paar dünne Zweige eines Holunderbusches ragen.
Er atmet tief durch und wischt sich den vereisten Schweiß und den Schnee von der Stirn. Über den silbrigen Augenbrauen fällt eine silbrige Locke aus der Kapuze seiner dicken Lederjacke in die glatte Stirn.
Sein Körper, noch nicht reif für diese Strapazen hier, geschweige denn
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