Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis
Beutel mit irgendeinem getrockneten Gemüse, ein paar Fleischstreifen und ein Päckchen Salz mitgegeben. Die Lebensmittel konnte er rationieren, aber die Wasserversorgung stellte definitiv ein Problem dar. Seit zwei ganzen Tagen hatte er keine Frischwasserquelle finden können, um die Feldflasche wieder aufzufüllen, und inzwischen neigten sich seine Vorräte rapide dem Ende zu.
Er schichtete das organische Material erneut auf und schlug dann zwei Feuersteine gegeneinander, bis ein Funken auf den trockenen Haufen übersprang und sich eine winzige, flackernde Flamme bildete. Dann zog er sich das Ersatzhemd vom Gesicht, legte den Kopf auf den steinigen Boden und blies vorsichtig in die Flamme. Er fächerte ihr mit der Hand Luft zu, bis sie sich zu einem Feuer entwickelte, das ihn in seinen Schein hüllte. Erleichtert hockte er sich davor, nahm sein aufgeschlagenes Tagebuch vom Boden, wischte den Staub von den Seiten und setzte seine Notizen und Zeichnungen fort.
Was für ein Fund! Ein Kreis regelmäßig geformter Steine, jeweils von der Größe einer Tür und mit eingemeißelten seltsamen Schriftzeichen. Obwohl er sich im Laufe seiner Studien mit vielen alten Sprachen beschäftigt hatte, konnte er die Schrift nicht identifizieren; sie war völlig anders als alles, was er bis dahin gesehen hatte. Seine Gedanken überschlugen sich förmlich, als er sich die Menschen vorstellte, die diese Worte hinterlassen hatten … die weit unter der Erdoberfläche gelebt hatten, möglicherweise mehrere Tausend Jahre lang, und dennoch einen solch hohen Entwicklungsstand besessen hatten, dass sie dieses unterirdische Monument errichten konnten.
Plötzlich hielt er inne und setzte sich ruckartig auf: Er glaubte, ein Geräusch gehört zu haben. Völlig reglos blieb er sitzen und versuchte, seine Atmung zu kontrollieren, während sein Herz wie wild in seiner Brust schlug. Angestrengt blinzelte er in die Dunkelheit jenseits des Feuerscheins, doch da war nichts – nur die alles durchdringende Stille, die ihn seit Beginn seiner Reise begleitete.
»Wirst ganz schön schreckhaft, alter Knabe«, sagte er und entspannte sich wieder. Der Klang seiner eigenen Stimme in der Enge des Tunnels hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn. »Das war nur wieder dein Magen, du Depp«, sagte er und lachte herzhaft.
Dann wickelte er sich das Hemd ganz vom Kopf und betastete sein Gesicht, das mit Schnittwunden und blauen Flecken übersät war. Seine Haare waren struppig und verfilzt, ein zotteliger Bart hing von seinem Kinn herab und seine Kleidung war dreckig und an vielen Stellen zerrissen. Er musste wie ein verrückter Einsiedler aussehen! Im Schein des knisternden Feuers nahm er sein Tagebuch wieder zur Hand und konzentrierte sich erneut auf den Steinkreis.
»Das ist wirklich absolut außergewöhnlich – ein Stonehenge im Miniaturformat. Was für ein unglaublicher Fund!«, stieß er hervor und vergaß für einen Moment, wie hungrig und durstig er war. Sein Gesicht strahlte vor Glück, während er seine Zeichnung fortsetzte.
Nach einer Weile legte er Notizbuch und Bleistift beiseite, saß ein paar Sekunden reglos da und starrte verträumt in die Ferne. Dann stand er auf, nahm die Leuchtkugel und ging ein paar Schritte zurück, bis er außerhalb des Steinkreises stand. Schließlich schlenderte er langsam um die Steine herum, hielt sich die Leuchtkugel wie ein Mikrofon vor den Mund, schürzte die Lippen und imitierte die tiefe Stimme eines bekannten Fernsehsprechers.
»Und verraten Sie uns doch bitte, Dr. Burrows: Welche Bedeutung hat für Sie, als neu ernannter Dekan für Unterirdische Studien, der soeben verliehene Nobelpreis?«
Er ging nun zügiger, fast beschwingt um den Steinkreis herum, richtete die Leuchtkugel auf die andere Seite seines Gesichts und zog eine gespielt überraschte Miene. Dann kehrte er zu seiner normalen Stimmlage zurück und erwiderte zögernd:
»Ach, ich … äh … ich muss schon sagen, das war eine große Ehre für mich. Und zunächst hatte ich das Gefühl, dass ich gar nicht würdig sei, in die Fußstapfen jener großen Männer und Frauen zu treten …« In diesem Moment stieß er mit dem Zeh gegen einen Felsbrocken und fluchte lautstark, während er ein paar Schritte durch den Tunnel torkelte. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, nahm er erneut seine Pose ein und setzte das Interview fort: »… in die Fußstapfen jener großen Männer und Frauen zu treten, dieser erlauchten Liste von Nobelpreisträgern, die mir
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