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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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Blitzlichtgeräte und in einem Zeitungsgeschäft kauften sie die Restbestände an Feuerwerkskörpern auf, die vom letzten Silvester noch übrig waren. Will wollte sichergehen, dass sie auf alle Eventualitäten vorbereitet waren – und alles, was ein grelles Licht abstrahlte, war mehr als willkommen. Darüber hinaus versorgten sie sich mit Proviant, hauptsächlich proteinreiche, aber leichte Energieriegel, damit sie nicht so viel tragen mussten. Nach allem, was Tante Jean für sie getan hatte, empfand Will ziemliche Gewissensbisse ihr gegenüber, als er zur Bezahlung der ganzen Vorräte auf ihr Haushaltsgeld zurückgreifen musste. Aber er hatte keine andere Wahl.
    Und dann, eines Vormittags, war es so weit: In ihrer frisch gewaschenen Kolonistenkleidung brachen sie auf. Sie verabschiedeten sich von Tante Jean, die Bartleby noch einmal unter Tränen an sich drückte, nahmen den Bus in die City und legten den Rest der Strecke zum Eingang an der Themse zu Fuß zurück.

35
    Während sie die Blackfriars Bridge verließen und die Stufen zum Embankment hinabstiegen, presste Cal sich die ganze Zeit ein Taschentuch auf Mund und Nase und murmelte dabei etwas von »verpesteter Luft«. Bei Tageslicht sah alles so anders aus, dass Will einen Moment Zweifel hatte, ob sie überhaupt an der richtigen Stelle waren. Angesichts all der geschäftigen Menschen um sie herum, erschien ihm die Vorstellung eines verlassenen, primitiven London irgendwo tief unter ihnen, wohin sie nun zurückkehren würden, als absolut unwirklich.
    Aber sie waren an der richtigen Stelle und nur wenige Meter vom Eingang zu jener seltsamen anderen Welt entfernt. Vor dem Tor blieben sie stehen, starrten hinunter und schauten zu, wie das braune Wasser unter ihnen träge dahinfloss.
    »Sieht tief aus«, bemerkte Cal. »Wie kommt das?«
    »Ich Dummkopf!«, stöhnte Will und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Die Flut! Ich hab nicht an die Gezeiten gedacht. Wir müssen einfach warten, bis das Wasser sich zurückzieht.«
    »Und wie lange dauert das?«
    Will zuckte die Achseln und schaute dann auf seine Uhr. »Keine Ahnung. Ein paar Stunden vielleicht.« Es blieb ihnen keine andere Wahl, als sich die Zeit damit zu vertreiben, durch die Seitenstraßen rund um das Tate Museum zu schlendern. In regelmäßigen Abständen kehrten sie zum Ufer zurück, um einen Blick auf den Wasserstand zu werfen; dabei bemühten sie sich, nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Zur Mittagszeit konnten sie erkennen, wie die Kieselsteine am Ufer allmählich sichtbar wurden.
    Will beschloss, dass sie nicht länger warten durften. »Okay, auf geht’s!«, verkündete er.
    Obwohl zahlreiche Passanten, die gerade Mittagspause machten, die Jungen beobachten konnten, nahm kaum einer Notiz von dem bunten, ungewöhnlich gekleideten und mit Rucksäcken beladenen Trio, das nun über die Mauer und auf die Steinstufen kletterte. Doch dann entdeckte ein alter Mann mit Wollmütze und Schal die drei. »Verdammte Halbstarke!«, rief er und drohte ihnen wütend mit der Faust. Ein paar Leute gesellten sich zu ihm, um nachzusehen, was das Gezeter sollte, verloren aber rasch das Interesse und gingen weiter. Dies schien auch die Entrüstung des alten Mannes ein wenig zu mildern, und er schlurfte schließlich laut schimpfend davon.
    Am Fuß der Treppe spritzte das Themse-Wasser den Jungen an den Beinen hoch, während sie so schnell wie möglich über das Ufer rannten und erst langsamer wurden, als sie sich außer Sichtweite unter der Mole befanden. Ohne zu zögern, kletterten Cal und Bartleby in die Öffnung des Abwasserrohrs.
    Will hielt einen Moment inne, ehe er ihnen folgte. Durch die Lücken zwischen den Holzbohlen über ihm warf er einen letzten, sehnsüchtigen Blick auf den blassgrauen Himmel, holte tief Luft und genoss seine letzten Atemzüge in der frischen Brise.
    Nun, da er wieder zu Kräften gekommen war, fühlte er sich wie ein völlig anderer Mensch. Was immer ihm bevorstehen mochte, er war darauf vorbereitet. Es schien, als hätte die Hitze des Fiebers jeden Zweifel und jede Schwäche in ihm verbrannt, und er verspürte wieder die gelassene Selbstsicherheit des erfahrenen Abenteurers. Doch als er auf den langsam dahinfließenden Fluss schaute, durchströmte ihn auch ein bitteres Gefühl des Verlustes und der Schwermut, und ihm wurde bewusst, dass er diesen Ort vielleicht nie wiedersehen würde. Natürlich musste er diesen Schritt nicht tun, er konnte hierbleiben, wenn er wollte … Doch

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