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Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis

Titel: Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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Raum war wie immer vollkommen tadellos – ihr Bett war sorgfältig gemacht, und ihre Freizeitkleidung lag auf dem Stuhl, damit sie sie nach der Schule sofort anziehen konnte. Alles war sauber und tipptopp und ordentlich an seinem Platz. Auf dem Nachttisch entdeckte er ihren kleinen schwarzen Wecker. »Warum hat sie mich nicht geweckt?«, fragte er sich halb laut.
    Als er bemerkte, dass auch die Tür des Elternschlafzimmers offen stand, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, ebenfalls einen Blick hineinzuwerfen. Das Bett war unbenutzt. Hier stimmte etwas nicht, ganz und gar nicht.
    Wo steckten sie alle? Will dachte über den Streit zwischen seinen Eltern am Abend zuvor nach, und jetzt erst wurde ihm die Schwere der Auseinandersetzung richtig bewusst. Im Gegensatz zu dem Eindruck, den er normalerweise erweckte, besaß Will durchaus eine einfühlsame Seite. Es war keineswegs so, dass ihm alles egal war; es fiel ihm nur schwer, seine Gefühle zu zeigen, und er versteckte sie lieber hinter einem vorgeblich leichtfertigen und herausfordernden Benehmen, wenn es um seine Familie ging – oder hinter einer Maske völliger Gleichgültigkeit, wenn es andere Leute betraf. Diesen Abwehrmechanismus hatte er im Laufe der Jahre entwickelt, um mit den Hänseleien wegen seines Aussehens zurechtzukommen. Zeig niemals deine Gefühle, reagier niemals auf ihre hirnlosen Sticheleien, gönn ihnen niemals diese Befriedigung.
    Obwohl Will nie viele Gedanken daran verschwendet hatte, war er sich durchaus der Tatsache bewusst, dass sein Familienleben ziemlich merkwürdig war, um es mal vorsichtig zu formulieren. Alle vier Familienmitglieder wirkten so verschieden, als wären sie durch nicht zu beeinflussende Umstände willkürlich zusammengewürfelt worden – wie vier vollkommen Fremde, die zufällig im selben Zugabteil sitzen. Aber irgendwie hatte das Ganze bisher funktioniert; jeder kannte seinen Platz, was im Endeffekt dazu geführt hatte, dass sie, obwohl vielleicht nicht besonders glücklich, dennoch eine Art Gleichgewicht gefunden hatten. Doch jetzt drohte das empfindliche Konstrukt zusammenzubrechen. Zumindest hatte Will an jenem Morgen den Eindruck.
    Während er im Flur stand, lauschte er erneut auf die beunruhigende Stille und schaute von Schlafzimmertür zu Schlafzimmertür. Die Sache war wirklich ernst.
    »Das musste ja passieren … ausgerechnet jetzt, wo ich etwas absolut Sensationelles gefunden habe«, murmelte er. Er wollte unbedingt mit Dr. Burrows reden, ihm von dem Tunnel und der seltsamen Kammer erzählen, auf die Chester und er gestoßen waren. Es schien fast, als wäre das alles bedeutungslos ohne die Anerkennung seines Vaters, ohne sein »Gut gemacht, Will« und seinen väterlichen Stolz auf die Leistungen seines Sohnes.
    Während Will auf Zehenspitzen die Treppe hinunterschlich, kam er sich merkwürdig vor, wie ein Eindringling im eigenen Haus. Er warf einen Blick auf die Wohnzimmertür. Sie war noch immer geschlossen. Mum muss im Wohnzimmer übernachtet haben, dachte er und ging in die Küche. Auf dem Tisch stand eine einsame Schüssel. Die Reste von Rice Crispies, die an ihrem Rand klebten, verrieten ihm, dass seine Schwester bereits gefrühstückt hatte und zur Schule aufgebrochen war. Aber die Tatsache, dass sie die Schale nicht fortgeräumt hatte und die Teetasse seines Vaters nicht auf dem Tisch oder in der Spüle stand, ließ seine Alarmglocken schrillen. Diese Momentaufnahme alltäglicher Vorgänge bildete den Schlüssel zu einem Rätsel – vergleichbar den winzigen Beweisstücken an einem Tatort, die, auf die richtige Weise interpretiert, die Antwort darauf lieferten, was genau vorgefallen war.
    Aber das Ganze ergab keinen Sinn. Er fand keine Antworten, und ihm wurde bewusst, dass er sich unbedingt beeilen und schnellstens auf den Weg zur Schule machen musste.
    »Ein Albtraum«, murmelte er und schüttete hastig seine Weetos in eine Schüssel. »Ein echt übler Albtraum«, fügte er hinzu und kaute missmutig seine Weizenringe.

11
    Chester lümmelte in einem der beiden lädierten Sessel in der Hauptkammer des Vierzig-Krater-Tunnels. Mit den Fingerspitzen rollte er eine kleine Kugel aus Lehm und legte sie zu dem wachsenden Haufen auf den Tisch. Dann zielte er halbherzig auf den Hals einer leeren Wasserflasche, die er auf den Rand einer der Schubkarren gestellt hatte.
    Will hätte längst da sein sollen, und während Chester die kleinen Projektile auf die Flasche abfeuerte, fragte er sich, was seinen

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