Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
Vom Netzwerk:
Chester und faltete seine Hose, als würde er seine Schuluniform für den nächsten Tag herauslegen.
    »Ich hatte einen Traum.«
    »Prima«, sagte Chester geistesabwesend, während er seine nassen Socken über ein paar Nägel in der Höhlenwand hängte, damit sie trocknen konnten.
    »Es war wirklich seltsam. Ich war an irgendeinem warmen, sonnigen Ort«, erzählte Will langsam, wobei er sich angestrengt zu erinnern versuchte, da der Traum ihm bereits entglitt. »An diesem Ort spielte nichts eine Rolle, nichts war von Bedeutung. Und da war auch ein Mädchen. Ich weiß nicht, wer sie war, aber es fühlte sich an, als wäre sie eine Freundin.« Will schwieg ein paar Sekunden. »Sie war wirklich sehr nett … und selbst wenn ich meine Augen schloss, war ihr Gesicht noch immer da, zufrieden und entspannt und irgendwie … irgendwie perfekt. Wir lagen im Gras, als hätten wir auf dieser Wiese – oder wo auch immer das war – ein Picknick gemacht. Ich glaube, wir waren beide ein bisschen schläfrig. Aber ich wusste, dass wir uns an einem Ort befanden, an dem wir sein sollten, an den wir beide gehörten. Obwohl wir uns nicht bewegt haben, schien es, als würden wir auf einem Bett aus weichem Gras schweben, umgeben von ruhigem, friedlichem Grün und unter dem strahlendsten blauen Himmel, den man sich nur vorstellen kann. Wir waren glücklich, sehr, sehr glücklich.« Will seufzte. »Der Ort war vollkommen anders als die ständige Feuchtigkeit und Hitze und Enge dieser Region hier. In meinem Traum war alles sanft und freundlich … und die Wiese schien so real … ich konnte sogar das Gras riechen. Es war einfach …«
    Er verstummte und schwelgte in der Erinnerung der bereits verblassenden Bilder und Empfindungen. Als ihm bewusst wurde, dass er ziemlich lange geredet und keine Geräusche von Chester aus der anderen Ecke des Raums gehört hatte, drehte er den Kopf, um seinen Freund anzusehen.
    »Chester?«, rief er leise.
    Erstaunt stellte er fest, dass sein Freund schon im Bett lag, mit dem Gesicht zur Wand, sodass Will es nicht sehen konnte. Chester gab ein schweres Schnarchgeräusch von sich und rollte sich auf den Rücken – er schlief bereits tief und fest.
    Will stieß einen langen, resignierten Seufzer aus, schloss die Augen und sehnte sich danach, in seinen Traum zurückzukehren. Doch er wusste, wie äußerst gering diese Chance war.

27
    Mit unglaublichem Getöse schlingerte und schwankte der Grubenzug so heftig von Seite zu Seite, dass Sarah fest davon überzeugt war, er würde jeden Moment aus den Gleisen springen. Sie klammerte sich an der Sitzbank fest und warf einen besorgten Blick hinüber zu Rebecca, die ihr gegenübersaß und vollkommen ungerührt schien. Es hatte fast den Eindruck, als befände sich das junge Mädchen in einem tranceartigen Zustand: Ihr Gesicht wirkte absolut ruhig und ihre Augen waren weit geöffnet, ohne irgendetwas zu sehen.
    Schließlich nahm der Zug seinen ursprünglichen hypnotischen Rhythmus wieder auf. Sarahs Atmung beruhigte sich etwas, während ihr Blick durch das Innere des Dienstwagens wanderte und dabei auch kurz die Grenzer streifte. Doch sie schaute rasch wieder weg, denn sie wollte nicht, dass die Styx-Soldaten ihr Interesse bemerkten.
    Sarah hatte das Gefühl, sie müsste sich ständig selbst kneifen, um sicherzugehen, dass dies alles wirklich real war. Immerhin saß sie praktisch Schulter an Schulter neben einer vier Mann starken Styx-Patrouille, bei denen es sich zudem nicht um einfache Soldaten, sondern um Grenzer handelte – Mitglieder des »Mephisto-Kommandos«, wie sie in manchen Kreisen genannt wurden.
    Als Sarah ein kleines Mädchen gewesen war, hatte ihr Vater ihr viele schreckliche Geschichten über diese Soldaten erzählt: Sie würden Kolonisten bei lebendigem Leibe verschlingen – und wenn Klein Sarah nicht sofort tat, was er ihr sagte, wieder ins Bett marschierte und weiterschlief, dann würden diese Kannibalen mitten in der Nacht auch an ihrer Tür klopfen. Laut Aussage ihres Vaters lauerten sie unter den Betten ungezogener Kinder, und sobald diese einen Fuß über die Bettkante schoben, würden sie ein Stück aus ihrer Wade beißen. Zartes, junges Kinderfleisch würden sie ganz besonders mögen, hatte er noch hinzugefügt. Und das hatte endgültig gereicht, um dafür zu sorgen, dass Klein Sarah nun garantiert nicht mehr weiterschlafen konnte.
    Erst ein paar Jahre später erfuhr sie von Tarn, dass diese mysteriösen Männer tatsächlich existierten.

Weitere Kostenlose Bücher