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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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was er tun musste. Alle anderen – Drake, Elliott, Chester und Cal – schienen völlig mit ihrem täglichen Überlebenskampf beschäftigt zu sein, als wäre es das einzige Ziel in ihrem Leben, sich an diesem höllenartigen Ort mühsam ein primitives Dasein zu erkämpfen.
    Dagegen war Will von einem einzigen, viel wichtigeren Gedanken beherrscht: Irgendwie musste es ihm gelingen, seinen Vater aufzuspüren – und wenn sie erst einmal wiedervereint waren, dann würden sie beide als Team zusammenarbeiten, um all das zu erforschen, was die Tiefen zu bieten hatten. Genau wie früher in Highfield. Und dann würden sie mit all ihren Entdeckungen an die Erdoberfläche zurückkehren! Will hielt abrupt inne, als ihm dämmerte, dass bis auf ihn und Chester niemand diesen Wunsch hegte. Keiner der anderen schien auch nur die geringste Lust zu verspüren, nach Übergrund zurückzukehren. Aber das war ihm letztendlich auch egal: Er hatte eine bedeutendere Aufgabe, und er würde ganz bestimmt nicht den Rest seiner Tage in diesem unwirtlichen unterirdischen Exil verbringen und jedes Mal, sobald ein Styx auftauchte, wie ein aufgescheuchtes Kaninchen davonrasen und sich verstecken.
    Als Will die Gesteinswand der Peripherie erreichte, sah er die Öffnungen mehrerer Lavaröhren vor sich. Er marschierte in den nächstgelegenen Tunnel und genoss das Gefühl der inneren Freiheit, das ihn erfüllte, während die tintenschwarze Dunkelheit ihn umfing. Als er sein Geschäft erledigt hatte, kam er wieder aus der Lavaröhre hervor, in Gedanken noch immer bei seinen Zukunftsplänen. Er hatte etwa zehn oder zwölf Schritte zurückgelegt, als er bemerkte, dass irgendetwas anders war, als es hätte sein sollen.
    Dann blieb er stocksteif stehen: An der Stelle, an der er die anderen seiner Meinung nach zurückgelassen hatte, rührte sich nichts mehr. Keine Bewegung, keine Stimmen, kein Licht. Der Anblick, der sich ihm bot – oder vielmehr nicht bot – traf ihn wie ein Schlag. Sie waren verschwunden. Die Gruppe war nicht mehr da.
    Zunächst verfiel er nicht in Panik, weil er sich sagte, dass er wahrscheinlich an der falschen Stelle suchte. Doch dann wurde ihm klar, dass er sich eigentlich ziemlich sicher war – die Richtung, in die er schaute, stimmte. Und außerdem hatte er sich doch gar nicht so weit von der Gruppe entfernt.
    Ein paar Sekunden sondierte er die Dunkelheit, dann hob er seine Taschenlampe hoch über den Kopf und schwenkte sie hin und her, in der Hoffnung, die anderen auf seine Position aufmerksam zu machen.
    »Ach da seid ihr!«, rief er erleichtert, als er die anderen endlich erblickte, von denen einer – aus beunruhigend großer Entfernung – mit einem kurzen Lichtsignal auf seine geschwenkte Taschenlampe reagierte.
    Der Anblick, den Will wie im Blitzlicht eines Fotoapparates wahrnahm, brannte sich ihm förmlich in die Netzhaut: Wie eine Herde aufgeschreckter Gazellen stoben die anderen davon, und Drake zeigte eindringlich in die Ferne, als wollte er Will damit etwas sagen. Aber Will verstand nicht, was er meinte. Und dann war der Moment auch schon wieder vorbei, und er hatte Drake und die anderen aus der Sicht verloren.
    Will schaute in Richtung des Rastplatzes. In seiner Wut hatte er seine Jacke und seinen Rucksack dort zurückgelassen und nur seine kleine, batteriebetriebene Taschenlampe mitgenommen. Er stand ohne jede Ausrüstung da!
    Sein Magen machte einen Satz, als würde er von einem hohen Gebäude stürzen. Er hätte den anderen sagen sollen, wohin er ging! Außerdem wusste er mit unausweichlicher Sicherheit, dass es sich bei dem, was sie so chaotisch in die Flucht geschlagen hatte, um etwas Bedrohliches handeln musste. Und er wusste, dass auch er fliehen sollte. Doch wohin? Sollte er versuchen, die anderen einzuholen? Sollte er probieren, seine Jacke und seinen Rucksack wiederzufinden? Was sollte er nur tun? Unschlüssig verharrte er auf der Stelle, unfähig, sich zu entscheiden.
    Plötzlich fühlte er sich wieder wie ein kleiner Junge und durchlebte noch einmal seinen allerersten Schultag. Sein Vater hatte ihn vor dem Tor der Grundschule abgesetzt und auf seine übliche geistesabwesende Art vergessen, Will zu sagen, wohin er gehen musste. Mit zunehmender Beklemmung war Will durch die leeren Korridore geirrt, einsam und allein und weit und breit niemand in Sicht, den er hätte fragen können.
    Fieberhaft versuchte er nun, einen weiteren Blick auf Drake und die anderen zu erhaschen und herauszufinden, wohin sie gelaufen

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