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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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vor den Styx verbracht hätte? Kein so übler Gedanke, wie ihm nun schien. Wenigstens wäre er dann nicht in dieser Situation gelandet.
    Erneut strauchelte er, und dieses Mal stürzte er heftig. Er war über Felsbrocken gestolpert und stieß sich brutal den Kopf. Langsam drehte er sich auf den Rücken, streckte alle viere von sich und hob dann die Arme. Dort, wo er seine hellen Handflächen hätte sehen müssen, war nichts zu erkennen – die Leere, die ihn wie ein großes Tuch umhüllte, verwischte alle Unterschiede. Er existierte nicht mehr.
    Schließlich rollte er sich auf den Bauch und tastete mit den Fingerspitzen den Boden ab, von der panischen Angst erfüllt, dass sich vor ihm ein gähnender Abgrund befinden könnte. Doch der Tunnelboden erstreckte sich kontinuierlich weiter, und Will wusste, dass er wieder auf die Beine kommen musste, wenn er seinen Weg fortsetzen wollte.
    Da er sich auf nichts anderes mehr verlassen konnte, hatte er sein Gehör inzwischen völlig auf das vertraute Geräusch abgestimmt, das seine schweren Schuhe verursachten, während er durch das Geröll und den Dreck stiefelte. Er hatte gelernt, den von den Wänden reflektierten Hall seiner Schritte genau einzuschätzen – es schien fast, als besäße er sein eigenes Radarsystem. An manchen Stellen hatte er auf diese Weise frühzeitig von einem tiefen Spalt oder anderen Bodenveränderungen erfahren – ausschließlich anhand der unterschiedlich klingenden Echos um ihn herum.
    Schließlich rappelte Will sich auf und ging ein paar Schritte.
    Das Echo, das er nun hörte, hatte sich vollkommen verändert: Es klang viel schwächer, als hätte sich die Lavaröhre plötzlich zu einer riesigen Höhle aufgeblasen. Im Schneckentempo bewegte er sich vorwärts, von der Furcht erfüllt, in einen senkrechten Schacht zu stolpern.
    Wenige Meter weiter war überhaupt kein Echo mehr zu hören – jedenfalls keines, das er wahrnehmen konnte. Seine Schuhe trafen auf etwas, das sich vom üblichen Geröll auf dem Tunnelboden deutlich unterschied. Kieselsteine! Kleine, runde Steine, die gegeneinanderstießen und dabei das typisch rieselnde Geräusch erzeugten, das sich mit nichts anderem verwechseln ließ. Sie bewegten sich unter seinen Schritten und erschwerten seinen erschöpften Beinen das Gehen zusätzlich.
    Plötzlich bemerkte er Feuchtigkeit auf seinem Gesicht und begann prüfend zu schnuppern. Was war das für ein Geruch? Er schnupperte erneut.
    Ozon!
    Er roch Ozon – ein Geruch, der sofort Bilder vom Meer heraufbeschwor und an die Strandausflüge, die Will mit seinem Dad gemacht hatte.
    Worauf war er da gestoßen?

31
    Mrs Burrows stand an der Tür zu ihrem Zimmer und beobachtete, was sich am Ende des Gangs abspielte.
    Sie war von lauten Stimmen und dem Quietschen hastiger Schritte auf dem Linoleumboden aus ihrem Mittagsschlaf gerissen worden. Diese Hektik erschien ihr seltsam. Denn in der vergangenen Woche hatten in diesem Haus kaum Aktivitäten stattgefunden. Eine unbehagliche Stille hatte sich über Humphrey House gesenkt; die Patienten hatten sich größtenteils in ihre Betten zurückgezogen, da einer nach dem anderen von diesem mysteriösen Virus erwischt worden war, der das ganze Land in seinem Griff hatte.
    Als Mrs Burrows den Lärm auf dem Gang gehört hatte, war sie zunächst einmal davon ausgegangen, dass es sich um einen Patienten handelte, der durchdrehte. Und sie hatte sich erst gar nicht die Mühe gemacht aufzustehen. Aber ein paar Minuten später ertönte aus dem Bereich des Lastenaufzugs ein lautes Scheppern. Mrs Burrows’ Eindruck, dass dort draußen irgendetwas Merkwürdiges vor sich ging, wurde außerdem durch die abgehackten Befehle einer Frau verstärkt, die in einem dringlichen Ton sprach – die Stimme einer Person, die erschüttert oder wütend war und am liebsten losgeschrien hätte, sich aber gerade noch beherrschen konnte. Allerdings nur mit größter Mühe.
    Als ihre Neugier schließlich über ihre Bequemlichkeit siegte, beschloss Mrs Burrows, selbst nachzusehen, was da vor sich ging. Die Entzündung ihrer Augen hatte deutlich nachgelassen, auch wenn diese immer noch so stark schmerzten, dass sie gezwungen war, sie zu Schlitzen zusammenzukneifen.
    »Was ist hier los?«, murmelte sie zwischen zwei Gähnanfällen, während sie auf den Flur hinaustrat. Als ein Gegenstand vor der Tür eines Patientenzimmers ihre Aufmerksamkeit erregte, hielt sie abrupt inne.
    Sie schaute genauer hin, und plötzlich weiteten sich ihre geröteten

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