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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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Augen vor Überraschung. Mrs Burrows hatte genügend Krankenhausserien gesehen, um sofort zu erkennen, worum es sich bei dem Objekt handelte.
    Vor der Tür stand ein Paradieswagen – ein schreckliches Sinnbild für eine fahrbare Krankenhausbahre mit Edelstahlseiten und -deckel. Damit wurden die Leichname verstorbener Patienten abtransportiert. Ein glänzender Metallsarg auf Rädern.
    Während Mrs Burrows die Bahre betrachtete, kamen die Oberschwester und zwei Assistenten aus dem Zimmer, um die Bahre zu holen. Die beiden Männer schoben das Metallding in den Raum der Patientin, der Mrs Burrows den Spitznamen »Mütterchen L« verpasst hatte, während die Oberschwester vor der Tür stehen blieb. Als sie Mrs Burrows entdeckte, ging sie langsam durch den Flur auf sie zu.
    »Nein. Das ist doch nicht das, was ich denke …?«, setzte Mrs Burrows an.
    Ein bedauerndes Kopfschütteln der Oberschwester sagte ihr alles, was sie wissen musste.
    »Aber Mütterchen L war doch noch so … so jung« ,stieß Mrs Burrows keuchend hervor. In ihrer Bestürzung war ihr der Spitzname der Patientin herausgerutscht. »Was ist denn passiert?«
    Die Oberschwester schüttelte erneut den Kopf.
    »Was ist passiert?«, wiederholte Mrs Burrows.
    »Der Virus«, erwiderte die Oberschwester mit gedämpfter Stimme, als wollte sie nicht, dass die anderen Patienten etwas davon mitbekamen.
    »Doch nicht diese Infektion?«, fragte Mrs Burrows und zeigte auf ihre Augen, die genau wie die der Oberschwester noch immer rot und geschwollen waren.
    »Ich fürchte, doch. Der Virus ist in ihren Sehnerv eingedrungen und hat sich dann über das Gehirn verbreitet … was laut Aussage des Arztes wohl in einer ganzen Reihe von Fällen passiert.« Die Schwester holte tief Luft. »Vor allem bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem.«
    »Ich kann es einfach nicht glauben. Du meine Güte, die arme Mrs L«, keuchte Mrs Burrows ehrlich betroffen. Es kam nur selten vor, dass irgendetwas durch ihren Panzer drang und sie wirklich berührte. Sie verspürte aufrichtiges Mitgefühl für einen Menschen, der tatsächlich existiert hatte – kein Schauspieler in irgendeiner Seifenoper.
    »Wenigstens ist es schnell gegangen«, sagte die Oberschwester.
    »Schnell?«, murmelte Mrs Burrows und runzelte verwirrt die Stirn.
    »Ja, sehr schnell sogar. Erst kurz vor dem Mittagessen hat sie über Beschwerden geklagt … dass sie sich nicht wohlfühlen würde. Aber dann wurde sie zusehends verwirrter und fiel in ein Koma. Es gab nichts, was wir hätten tun können, um sie wiederzubeleben.« Die Schwester presste die Lippen zusammen und schaute bedrückt zu Boden. Sie holte ein Taschentuch hervor und tupfte sich erst das eine Auge und dann das andere. Mrs Burrows konnte nicht sagen, ob dies mit der Entzündung ihrer Augen zusammenhing oder damit, dass sie traurig war. »Diese Epidemie ist verdammt ernst. Und wenn der Virus mutiert …«, sagte die Schwester mit leiser Stimme.
    Allerdings kam sie nicht dazu, ihren Satz zu beenden, denn in diesem Moment schoben die Assistenten den Paradieswagen aus dem Zimmer auf den Gang, und die Schwester eilte zu ihnen, um ihnen zu helfen.
    »So schnell«, murmelte Mrs Burrows.
     
    Am späten Nachmittag war sie derart beschäftigt mit dem vorzeitigen Ableben von Mütterchen L, dass sie dem Fernseher im Aufenthaltsraum kaum Beachtung schenkte. Sie hatte nach dem Vorfall keine Ruhe gefunden und wollte ungern allein auf ihrem Zimmer bleiben; deshalb hatte sie sich entschlossen, Trost in ihrem Lieblingssessel zu suchen – dem einzigen Ort, der ihr normalerweise ein gewisses Maß an Glück und Zufriedenheit schenkte. Aber als sie den Aufenthaltsraum betrat, musste sie feststellen, dass bereits eine Reihe anderer Patienten vor dem Fernsehgerät hockte. Durch den andauernden Personalmangel hatten die üblichen Tagesaktivitäten stark eingeschränkt werden müssen, und die meisten Heimbewohner waren nun weitestgehend sich selbst überlassen.
    Mrs Burrows war ungewöhnlich still gewesen und hatte es den anderen Patienten gestattet, das Fernsehprogramm zu bestimmen, aber als in den Nachrichten ein neues Thema über den Bildschirm flackerte, meldete sie sich plötzlich zu Wort.
    »He!«, rief sie und zeigte auf das Gerät. »Das ist doch der Typ von letztens! Den kenn ich!«
    »Und wer ist er?«, fragte eine Frau und schaute von ihrem Puzzle auf, das vor ihr auf dem Schreibtisch am Fenster verteilt lag.
    »Erkennt ihr ihn denn nicht? Der war doch hier im Haus!«,

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