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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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sehen, da sein Kopf nach vorn gesackt war.
    Entfernter Hall von Schüssen drang an Wills und Elliotts Ohren – die Grenzer verschwendeten keine Zeit und erwiderten das Feuer.
    »Will, konzentrier dich – sie kreisen uns ein«, zischte Elliott. »Ich muss wissen, ob ich ihn getroffen habe.«
    Will versuchte, das Gewehr ruhig auf Drakes Kopf zu richten. Doch immer wieder versperrten ihm Wolken die Sicht.
    »Ich kann nichts erkennen …«
    »Du musst aber!«, fauchte Elliott, deren Stimme vor Verzweiflung ganz verzerrt klang.
    Dann bewegte Drake den Kopf.
    »Oh Gott!«, stieß Will entsetzt hervor. »Sieht ganz danach aus, als würde er noch leben.« Versuch, nicht darüber nachzudenken, ermahnte er sich selbst.
    »Schieß … schnell«, flehte Elliott.
    »Niemals!«, schnaubte Will.
    »Tu es! Erlöse ihn von seinen Qualen.«
    Will schüttelte den Kopf. Ich bin gar nicht hier. Das bin nicht ich. Das alles geschieht überhaupt nicht.
    »Auf keinen Fall«, keuchte er erneut. Er hatte das Gefühl, jeden Moment in Tränen auszubrechen. »Ich kann das nicht!«
    »Tu es einfach. Wir haben keine Zeit für Diskussionen. Die Grenzer sind schon auf dem Weg hierher.«
    Will hob das Gewehr und holte mit zusammengebissenen Zähnen Luft.
    »Zieh nicht zu heftig am Abzug … drück ihn langsam … weich und behutsam …«, sagte Elliott.
    Will bewegte das Fadenkreuz von Drakes Kopf fort – der gelegentlich auf und ab wippte, dann aber wieder herabsank, als hätte der Mann nicht die Kraft, ihn hochzuhalten – und zielte auf Drakes Brust. Die Wahrscheinlichkeit, dass er diese Stelle verfehlte, war deutlich geringer, sagte er sich. Aber das hier war doch der helle Wahnsinn, schoss es ihm im nächsten Augenblick durch den Kopf. Er war einfach nicht in der Lage, jemanden zu töten!
    »Ich kann das nicht.«
    »Du musst!«, flehte Elliott. »Er würde es auch für uns tun. Du musst einfach …«
    Will versuchte, seinen Verstand auszuschalten. Dies hier ist nicht real. Ich schaue auf einen Bildschirm. Das bin ich gar nicht.
    »Hilf ihm«, sagte Elliott. »Jetzt!«
    Wills gesamter Körper spannte sich an, wehrte sich gegen das, wovon er wusste, dass er es tun musste. Das Fadenkreuz bewegte sich leicht, ruhte aber insgesamt auf der richtigen Stelle – der Brust des Mannes, den Will so bewunderte. Tu es, tu es, tu es! Widerstrebend verstärkte er den Druck auf den Abzug und schloss die Augen. Der Schuss löste sich. Will stieß einen unterdrückten Schrei aus, als sich die Waffe in seinen Händen aufbäumte und das Zielfernrohr durch den Rückschlag seine Braue streifte. Er hatte noch nie zuvor ein Gewehr abgeschossen und es zu dicht am Auge gehalten. Schnaufend und mit schmerzverzogenem Gesicht ließ er die Waffe sinken.
    Der scharfe Geruch von Kordit stieg ihm in die Nase – ein Geruch, der ihn immer an das Feuerwerk zu Silvester erinnert hatte, jetzt aber auf ewig eine andere Bedeutung für ihn haben würde. Doch viel schlimmer wog für ihn die Tatsache, dass dieser Moment ihn für immer begleiten würde – er fühlte sich gezeichnet, so als würde von nun an nichts mehr so sein, wie es einmal war. Ich werde dies bis zum Ende meiner Tage mit mir tragen: Ich habe möglicherweise einen Menschen getötet!
    Elliott lehnte sich gegen Will, schob ihre Arme unter seinen durch, und ihre Gesichter berührten sich, als sie erneut das Gewehrschloss betätigte. Tief in Wills Innerem registrierte sein Verstand diese Berührung, allerdings hatte sie für ihn in diesem Moment keinerlei Bedeutung. Die leere Patronenhülse flog in die Dunkelheit, während eine neue Kugel in die Kammer wanderte. Will versuchte, Elliott die Waffe in die Hand zu drücken, doch sie stieß sie zurück. »Nein! Sieh nach! Sicher ist sicher!«, befahl sie fauchend.
    Widerstrebend führte Will das Zielfernrohr ein weiteres Mal ans Auge und bemühte sich, den Pfahl und Drakes Leichnam zu lokalisieren. Doch es gelang ihm nicht. Das Sichtfeld wackelte hin und her und war dazu noch verschwommen. Und als er sein Ziel schließlich entdeckte, rutschte sein Arm ab. Er versuchte es erneut.
    Und dann sah er …
    Rebecca.
    Sie stand zwischen zwei hoch aufragenden Grenzern, links von Drake.
    Und sie schaute in seine Richtung. Ihm direkt in die Augen.
    Will hatte das Gefühl, dass ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.
    »Hast du ihn erwischt?«, fragte Elliott mit rauer Stimme.
    Doch Wills Blick war auf Rebecca geheftet. Sie hatte die Haare straff nach hinten gekämmt und trug

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