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Tunnel - 02 - Abgrund

Tunnel - 02 - Abgrund

Titel: Tunnel - 02 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Roderick & Williams Gordon
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hast.« Er schwieg einen Moment und stand unsicher neben Will. »Oder hast du ihn vielleicht schon vergessen?«
    Der letzte Satz übte auf Will die gleiche Wirkung aus wie ein Schlag in den Magen. Chester hörte, wie er scharf die Luft einzog und den Kopf kurz bewegte, ihn allerdings noch immer nicht hob.
    »Wie du willst«, fauchte Chester, zog sich ein paar Meter zurück und legte sich auf den Boden. Er wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war, als er Will endlich reden hörte. Die Worte seines Freundes erschienen ihm wie in einem Traum, und er erkannte, dass er eingedöst sein musste.
    »… du hast recht, wir müssen weitergehen«, sagte Will.
    »Hm?«
    »Auf geht’s.« Will sprang lebhaft auf und marschierte schnurstracks zu dem plätschernden Rinnsal, um es flüchtig zu inspizieren. Danach untersuchte er die Öffnung, wo der Kanal in die Höhlenwand eintrat, und leuchtete mit seiner Laterne hinein, um die Bereiche zu erhellen, die der flackernde Schein des Gaslichts nicht erreichte.
    Er nickte bestätigend und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf das Gestein, das über der Öffnung aufragte.
    »Okay, wir können weiter«, verkündete er, kehrte zu seinem Rucksack zurück und hievte ihn sich auf die Schultern.
    »Hä? Wir können was?«
    »Ich denke, das ist ziemlich klar«, erwiderte Will.
    »Klar wie Kloßbrühe!«
    »Also, was ist? Kommst du nun oder nicht?«, wandte er sich schroff an Chester, der seinen Freund zweifelnd anstarrte. Wills plötzlicher Stimmungswechsel machte ihn misstrauisch. Doch Will stand bereits neben dem Kanal, klemmte sich die Lampe an die Brusttasche, musterte das Gestein ein paar Sekunden und begann dann, sich daran hochzuziehen. Er fand mit den Füßen und Händen Halt am Felsen und kletterte in einem Bogen, der ihn unter der Gasflamme hindurch-, aber oberhalb der Kanalöffnung entlangführte und ihn sicher auf die andere Seite des träge fließenden Gewässers brachte.
    »Das war nicht das erste Mal, dass jemand hier rübergeklettert ist«, verkündete er und rief Chester zu: »Jetzt komm schon, steh nicht einfach da rum. Es ist kinderleicht – irgendjemand hat Fuß- und Handgriffe in den Fels gehauen.«
    Chester warf seinem Freund einen verärgerten und zugleich beeindruckten Blick zu. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas erwidern, besann sich jedoch eines Besseren und murmelte nur: »Ganz der Alte.«
     
    Obwohl Will keinem erkennbaren Weg folgte, schien er so davon überzeugt, dass sie in die richtige Richtung liefen, dass Chester ihm einfach hinterhertrabte. In zügigem Tempo drangen die Jungen immer tiefer in die eintönige Ebene vor, die keine weiteren Kanäle oder sonstigen Geländemarken bereithielt, bis sie schließlich ein Gebiet erreichten, in dem der Boden lockerer wurde und leicht anstieg. Vielleicht lag es an der Tatsache, dass die Höhe der Höhlendecke über ihren Köpfen zunahm, aber mit jedem Schritt schien auch der Wind an Stärke zu gewinnen.
    »Puh, das ist schon viel besser!«, seufzte Will und fuhr mit einem Finger zwischen seinem Nacken und dem schweißgetränkten Kragen seines Hemdes entlang. »Die kühle Brise tut gut!«
    Mit enormer Erleichterung registrierte Chester, dass Will sich anscheinend aus der tiefen Melancholie herausgezogen hatte, in die ihn Cals Tod gestürzt hatte. Tatsächlich redete er wieder ganz normal, obwohl es Chester viel stiller erschien, seit Cal nicht mehr da war und ständig mit ihm stritt. Und offenbar spielte sein Verstand ihm dauernd einen Streich, denn Chester hatte das merkwürdige Gefühl, dass der kleine Junge noch immer bei ihnen war. Er ertappte sich sogar dabei, dass er sich regelmäßig umsah, um nach ihm Ausschau zu halten.
    »He, dieses Gestein sieht irgendwie kalkartig aus«, stellte Will fest, während sie den Hang hinaufkletterten und dabei immer wieder wegrutschten, weil das helle Geröll unter ihnen nachgab. Das letzte Stück der Strecke stieg besonders steil an, und sie waren gezwungen, auf allen vieren hinaufzukraxeln.
    Plötzlich hielt Will inne und hob einen Stein von der Größe eines Tennisballs auf, der vor ihm lag. »Wow! Ein hervorragendes Exemplar einer Sandrose. « Chester sah hellrosa, blattartige Strukturen, die eine seltsam aussehende Steinformation bildeten. Das Ganze erinnerte an eine kubistische Blüte. Konzentriert kratzte Will mit dem Fingernagel über eines der Blätter. »Ja, das ist Gips, ganz ohne Zweifel. Sieht doch toll aus, oder?«, wandte er sich an Chester, der jedoch keine

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