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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Katastrophen zu wehren. Hier florierte das Leben, anderswo starb es. 30 000 Versuchslabore zeitigten 30 000 unterschiedliche Ergebnisse, und je länger die Experimente anhielten, desto stärker emanzipierten sich die Überlebenden.
    Die als Wächter fungierenden Schiffssphären und ihre Lenker hatten mehr als genug zu tun; sie waren zu wenige, um einzelne Planeten über längere Zeiträume hinweg zu beobachten und ihrer Arbeit den Vorgaben gemäß nachzukommen. Sie beließen es bei stichprobenartigen Überprüfungen und dabei, die von den Refraktos gesammelten Daten abzurufen.
    Wie diese Vorgaben aussahen? Wir wissen es nicht mehr. Wir wissen auch nicht, wer die Auftraggeber waren, und woher sie stammten. Wir können bloß Vermutungen anstellen.
    Zeit verging. Die Arbeit für die Wächter wurde nicht weniger, ganz im Gegenteil. Manche der entstehenden Zivilisationen drängten in den Weltraum und wollten sich ausbreiten. Sie versuchten es mit kriegerischen Mitteln auf bereits besiedelten Welten, oder sie nutzten den Handel für ihre Zwecke. Manche Völker scheiterten, andere begannen zu florieren und sich auszubreiten. So war und ist das Leben.
    Die Aufgaben der Wächter wurden immer diffiziler. Hatten sie bislang 30 000 Welten unabhängig voneinander beobachten können, so mussten sie nun auch die Interaktionen der Kulturen in ihre Arbeit mit einbeziehen. Es kam zu ersten Ausfällen, aber auch zu Unstimmigkeiten zwischen Schiffssphären und deren Lenkern. Unterschiedliche Ansichten, wie und wo man seine Arbeit verrichten sollte,
führten zu Krisen, die durch die Entdeckung der Sonne Mantalnip weiter verstärkt wurden: Denn auf Mantalnip existierte ein Einfluss, der sich schädlich auf die stärkste der drei Muttereinheiten, auf Grau, auswirkte. Grau entwickelte Eigenmächtigkeiten und konzentrierte sich auf eigene Pläne, denen Schwarz und Weiß widerstandslos zustimmten. Die eigentliche Überwachungsaufgabe geriet in den Hintergrund.
    Für die Lenker brach eine dunkle Zeit an. Sie wurden zu Erfüllungsgehilfen degradiert, während die Schiffssphären, von Grau aus gesteuert, der Machtbesessenheit ihrer Muttereinheit als Vehikel dienten. Grau lancierte Gerüchte, die sich binnen weniger Jahrhunderte in den Köpfen der Intelligenzwesen des Kahlsacks festsetzten und bald als unverrückbare Tatsachen akzeptiert wurden. Die Fama von den objektiven und stets neutralen Totengräbern entstand. So konnten die Schiffssphären vermittels ihrer Lakaien jeden Bereich des in sich geschlossenen Universums bereisen, ohne jemals in Gefahr zu geraten oder Rechenschaft ablegen zu müssen. Man gewährte ihnen Zutritt zu den geheimsten Orten, man ließ sie an jedwedem Informationsfluss teilhaben. Und wenn sie dennoch einmal auf Hindernisse stießen, dann besaßen die Schiffssphären mehr als ein probates Mittel, um diese zu überwinden.
    Die Lenker, die nun die Totengräber-Rolle übernehmen mussten, schafften es kaum noch, sich aus der Umklammerung ihrer ehemals gleichberechtigten Partner zu befreien. Sie waren von falschem Gedankengut indoktriniert, wurden wie Marionetten gesteuert und auf ihre bloße Funktion reduziert. Die Zusammenarbeit mit den Refraktos geriet vollends ins Hintertreffen. Die meist virtuellen Geschöpfe wurden sich selbst überlassen. Viele von ihnen hörten im
Laufe der Jahrtausende auf zu funktionieren, andere gerieten in Vergessenheit, manche fielen dem Irrsinn anheim.
    Die Erfinder der dualen Wächtereinheiten waren weise gewesen - und hatten dennoch Fehler begangen. Sie hatten auf ein Gleichgewicht gesetzt und dafür gesorgt, dass der eine ohne den anderen nicht existieren konnte. Die Schiffssphären benötigten die Lenker, damit sie funktionierten; die Lenker benötigten die Schiffssphären, da sie sich sonst ihrer Lebensberechtigung beraubt sahen und orientierungslos wurden. Doch dass ein Verhältnis wie zwischen Knecht und Herrn entstehen könnte - damit hatten die Erschaffer trotz aller Voraussicht nicht gerechnet.
    Jahrhunderte, Jahrtausende vergingen. Grau wuchs und wuchs, baute seine Machtposition immer weiter aus. Grau ahnte, sah und wusste alles. Die Muttereinheit besaß einen gewaltigen Informationsvorsprung, und kein Volk des Kahlsacks hatte ihr Gleichwertiges entgegenzusetzen. Noch aber wartete sie. Unschlüssig darüber, was sie mit ihrer Macht anfangen sollte - und auf weitere Anweisungen von den namenlosen Planeten der Sonne Nostarum wartend. Dort unten befand sich etwas, wonach sie gierte - und

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