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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Würste, die sich gut sichtbar im Unterkörper des Xalifen erweiterten und wieder zusammenzogen, gaben pfeifende Geräusche von sich. »Wir Alten können Emotionen spüren«, sagte er leise.« Der ehemalige Mafati der Lavaburg Gracht deutete mit einem der beiden rudimentären Arme auf ein nässendes Geschwür, das seitlich auf seinem Kopf prangte. »Da drin entwickelt sich im Laufe der Zeit unser wertvollstes Sinnesorgan, mit dem wir unser Gegenüber anhand dessen Emotionsmuster erkennen. Diese Muster, auch wenn sie sich von Augenblick zu Augenblick ändern, besitzen eine einzigartige Grundstruktur, ähnlich wie die Züge eines Gesichtes, wie ihr Humanes es besitzt.«
    Turil nahm das kommentarlos zur Kenntnis. Er empfand eine Art Freude darüber, dass selbst sein Vater diesem Geheimnis der Xalifen nicht auf die Spur gekommen war. Die älteren Bewohner Habercains erkannten also die Schwächen
und Stärken ihres Gegenübers, und sie fügten sie in ein Bild ein, das aus unendlich vielen Faktoren bestand und dadurch unverwechselbar wurde. »Wie hast du meinen Va… ich meine Pschoim wahrgenommen?«, fragte er.
    Drira Tongon ließ sich Zeit, bevor er antwortete. »Ich erinnere mich an ihn, als wäre es gestern gewesen. Er nahm mein Heim in Beschlag. Da war Überheblichkeit. Hilflosigkeit. Unterdrückter Zorn. Wille zur Rebellion. Überaus starke Beharrungskräfte, die ihn in ein Korsett zwängten. Zweifel. Aber auch ein stilles Feuer und eine Leidenschaft, die er gezwungen war zu verbergen und die zu erkalten drohten. An der Oberfläche hingegen war er eine ausgereifte Persönlichkeit, die ganz genau wusste, was sie wollte, und die fest im wirklichen Leben verankert war. Sonst hätten wir Pschoim niemals gebeten, unser Problem mit dem notgelandeten Kitar-Schiff zu lösen.«
    »Hast du bei ihm auch … Liebe gesehen?«
    »Liebe? Was für ein seltsames Konzept diese Liebe doch ist! Sie wird überschätzt und hält meist nur für kurze Zeit an. Sie ist feurig und heiß, wenn sie eruptiert, und sie erkaltet dann so rasch, dass du dabei zusehen kannst.«
    »Hast du Liebe gesehen?«, wiederholte Turil seine Frage. Warum interessierte es ihn? Was hoffte er zu gewinnen? Wusste er die Antwort denn nicht schon längst?«
    »Ja«, antwortete Drira Tongon völlig überraschend. »Tief in ihm war sie versteckt. Übertüncht von einer Vielzahl anderer Bilder. Er hat sie stets seinem Pflichtbewusstsein untergeordnet und sich deshalb etwas auferlegt, das man am besten als Selbsthass beschreiben könnte.«
    Selbsthass. Das also machte seinen Ziehvater aus. Er hatte sich den Zielen der Thanatologen verschrieben und sich selbst dafür gehasst. Was für ein Leben …

    Der Körper des ehemaligen Mafati zog sich krampfhaft zusammen, im transparenten Teil des Bauches zeigten sich große, scharfgratige Klumpen. Unverdaute Lavareste, die Drira Tongon nicht mehr auszuscheiden imstande war? Würde er an ihnen elendiglich zugrunde gehen?
    Turil brachte seine Gedanken mühsam zurück zum eigentlichen Grund seines Besuches. »Was hat es mit dem Szeptinat auf sich? Mit diesem Diskus?«
    »Ah ja. Neugierde ist eine starke Triebfeder, nicht wahr? Aber sie ist nur eine dünne Tünche, die die darunterliegende Ungeduld und vor allem deine Wut nicht vor mir verbergen kann.«
    »Ich bin nicht gekommen, um mich einer Analyse unterziehen zu lassen«, sagte Turil schroffer, als er es vorgehabt hatte. »Ich benötige Antworten.«
    »Die sollst du bekommen.« Drira Tongon ließ sich auf seinem Leib nieder und streckte die Glieder nach allen Richtungen aus. »Aber es sind Bedingungen an die Übergabe des Szeptinates geknüpft.
    »Du stellst Forderungen?!«
    »Ja. Im Namen meines Volkes. Gib dir bloß keine Mühe, mir Furcht einjagen zu wollen. Ich bin weit darüber hinaus, Angst zu empfinden. In ein paar Jahren ist es ohnehin mit mir vorbei, und ein früherer Tod wäre eine Erlösung.«
    »Sag, was du von mir willst.« Turil brachte nicht die Geduld für langwierige Verhandlungen auf.
    »Du hast gesehen, was die Loga-Wanica mit unserer Heimat angestellt haben. Sie brachten uns eine vernichtende Niederlage bei. Sie waren voll Hass, und sie taten völlig unverständliche Dinge. Solche, die nicht einmal unsere Weisen deuten konnten. Ihr Humanes seid mitunter sehr schwer zu durchschauen.«

    »Mag sein. Aber was haben die Loga-Wanica mit deinen Forderungen zu tun?«
    »Sie haben den Krieg in den Kahlsack getragen, bis ihre Kraft erlosch. Dann zogen sie sich auf ihre

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