Turm der Hexer
zweifelnd.
»Versuch’s. Ich führe dich Schritt für Schritt.« Garion begann, in seinem Geist einen Wolf aufzubauen.
»Vergiß die Zehennägel nicht«, wies Belgarath ihn an. »Sie sehen zwar nicht nach viel aus, aber sie sind sehr wichtig.«
Garion fügte die Zehennägel ein.
»Der Schwanz ist zu kurz.« Garion berichtigte dies.
»So ist gut. Jetzt passe dich dem Bild an.«
Garion setzte seinen Willen ein. »Verwandeln«, sagte er.
Es war fast, als ob sein Körper flüssig geworden wäre, sich schiebend, verändernd, in das Bild fließend, das er im Geiste hatte. Als die Woge verebbt war, saß er schnaufend auf seinen Hinterbeinen. Es fühlte sich sehr seltsam an.
»Steh auf und laß dich anschauen«, befahl Belgarath.
Garion erhob sich und stand auf allen vier Pfoten. Sein Schwanz fühlte sich höchst eigenartig an.
»Du hast die Hinterbeine zu lang gemacht«, stellte Belgarath kritisch fest.
Garion wollte einwenden, daß er es ja zum erstenmal gemacht hatte, brachte aber nur eine Reihe seltsamer Winsel und Bellaute heraus.
»Laß das«, grollte Belgarath. »Du hörst dich an wie ein Welpe. Komm wieder zurück.«
Garion gehorchte.
»Was passiert mit den Kleidern?« fragte Silk neugierig.
»Sie bleiben bei uns«, antwortete Belgarath, »aber gleichzeitig auch nicht. Es ist sehr schwer zu erklären. Beldin hat einmal daran gearbeitet, wohin die Kleider gehen. Er glaubt, die Antwort gefunden zu haben, aber ich habe seine Theorie nie ganz begriffen. Beldin ist viel intelligenter als ich, und seine Erklärungen sind manchmal etwas exotisch. Jedenfalls, wenn wir in unsere ursprüngliche Gestalt zurückkehren, sind unsere Kleider immer wie vorher.«
»Selbst Garions Schwert?« fragte Silk. »Und das Auge?« Der alte Mann nickte. »Ist es nicht etwas gefährlich, es sozusagen lose herumschweben zu lassen?«
»Es ist eigentlich nicht lose. Es ist immer noch da, aber gleichzeitig auch nicht.«
»Ich verlasse mich auf dein Wort«, meinte Silk zweifelnd.
»Versuch’s noch einmal, Garion«, schlug Belgarath vor.
Garion wechselte ein paarmal hin und her, bis seine Wolfsgestalt seinen Großvater zufriedenstellte.
»Bleib bei den Pferden«, bat der alte Mann Silk. »Wir sind bald zurück.« Er verwandelte sich in den großen, grauen Wolf. »Laß uns ein bißchen laufen«, sagte er zu Garion. Die Bedeutung dessen, was er sagte, wurde direkt von seinem in Garions Geist übertragen, nur leicht unterstützt durch Mienenspiel, Stellung des Kopfes und der Ohren und ein paar kurzen, bellenden Lauten. Plötzlich verstand Garion, weshalb die Rudelbindung bei Wölfen so stark war. Sie bewohnten, ganz wörtlich genommen, den Geist aller anderen. Was einer sah, sahen alle, und was einer fühlte, fühlten alle.
»Wo laufen wir hin?« fragte Garion, kaum erstaunt, wie leicht ihm die Sprache der Wölfe fiel.
»Nirgendwohin. Ich muß mich nur einmal richtig strecken.«
Und der graue Wolf sprang mit überraschender Geschwindigkeit davon.
Der Schwanz war zunächst ein ernstes Problem. Garion vergaß immer, daß er da war, und sein Pendeln brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Als er es endlich begriffen hatte, war der alte Wolf ihm schon weit im Moor voraus. Nach einer Weile fand sich Garion jedoch förmlich über den Boden fliegen. Seine Pfoten schienen kaum die Erde zu berühren, wenn sich sein Körper in langen Sprüngen dehnte. Er bewunderte die Sparsamkeit der wölfischen Bewegungen. Er lief nicht nur mit den Beinen, sondern mit dem ganzer Körper. Er gelangte zu der Überzeugung, daß er, wenn nötig, tagelang so laufen könnte, ohne zu ermüden. Das hügelige Sumpfland wirkte irgendwie anders. Was ihm öde und verlassen wie der graue Himmel erschienen war, wimmelte jetzt förmlich vor Leben. Da gab es Mäuse und huschende Hörnchen in struppigen, braunen Dickichten hockten Kaninchen und beobachteten starr vor Angst, wie er seine Krallen bei jedem langen Sprung in die weiche Erde grub. Schweigend jubilierte er über die Stärke und Freiheit seines neuen Körpers. Er war der Herr der Ebene, und alle Wesen machten ihm Platz.
Und dann war er nicht mehr allein. Ein anderer Wolf lief neben ihm her ein eigenartig substanzlos wirkender Wolf, den ein bläulich flackerndes Licht umgab. »Wie weit wollen wir laufen?« fragte er in der Art der Wölfe.
»Wir können aufhören, wenn du willst«, antwortete Belgarath höflich und verringerte seine Geschwindigkeit auf Schrittempo. »Es ist einfacher zu reden, wenn man nicht
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