Turm der Hexer
der Schlucht und blickte auf seinen Schatten hinab, der allmählich wieder Form annahm. Der purpurne Schleier war verschwunden, und er fühlte sich merkwürdigerweise nicht einmal müde.
Durnik atmete zitternd ein und bemühte sich aufzustehen.
Garion drehte sich rasch um und lief zurück zu seinem Freund. »Bist du in Ordnung?« fragte er, den Arm des Schmieds ergreifend.
»Es war, als hätte ich ein Messer in mir«, erzählte Durnik mit schwacher Stimme. »Was war das?«
»Die Grolimhierarchen haben versucht, dich zu töten«, sagte Garion. Durnik sah sich ängstlich um.
»Keine Angst, Durnik. Sie werden es nicht wieder tun.« Garion half ihm auf die Füße, dann gingen sie zusammen in die Schlucht zurück.
Tante Pols Augen waren auf ihn gerichtet, als er näherkam. Sie sah ihn durchdringend an. »Du wirst sehr schnell groß«, sagte sie.
»Ich mußte etwas tun«, erwiderte er. »Was ist mit deinem Schild?«
»Mir scheint, ich brauche ihn nicht mehr.«
»Nicht schlecht«, sagte Belgarath. Der alte Mann saß aufrecht. Er sah noch schwach und erschöpft aus, aber seine Augen waren munter.
»Es war ein bißchen exotisch, aber alles in allem gar nicht schlecht. Die Geschichte mit der Hand war allerdings etwas übertrieben.«
»Ich wollte sichergehen, daß er begriffen hatte, was ich sagte.« Garion war außerordentlich erleichtert, daß sein Großvater wieder bei Bewußtsein war.
»Ich glaube, du hast ihn überzeugt«, meinte Belgarath trocken.
»Gibt es hier irgendwo etwas zu essen?« fragte er Tante Pol.
»Geht es dir wieder gut, Großvater?« fragte Garion.
»Abgesehen davon, daß ich so schwach bin wie ein frisch geschlüpftes Küken und so hungrig wie eine Wölfin mit neun Jungen, geht es mir gut«, antwortete Belgarath. »Ich könnte wirklich etwas zu essen vertragen, Polgara.«
»Ich werde sehen, was ich finden kann, Vater«, sagte sie und ging zum Gepäck hinüber.
»Du mußt dich auch nicht damit aufhalten, es erst zu kochen«, setzte er hinzu.
Der kleine Junge hatte Garion neugierig betrachtet, seine großen blauen Augen blickten ernst und ein wenig verwirrt. Plötzlich lachte er und sah Garion strahlend an. »Belgarion«, sagte er.
4
» K ein Bedauern?« fragte Silk Garion an jenem Abend, als sie auf die Berge zuritten, die sich scharf gegen den Sternenhimmel abzeichneten.
»Bedauern worüber?«
»Daß du das Kommando abgegeben hast.« Silk hatte ihn schon neugierig beobachtet, seit die untergehende Sonne das Signal zum Aufbruch gegeben hatte.
»Nein«, antwortete Garion, nicht ganz sicher, was der kleine Mann meinte. »Warum sollte ich?«
»Es ist eine sehr wichtige Sache, die ein Mann über sich selbst lernen kann, Garion«, sagte Silk ernsthaft. »Für manche Männer ist die Macht sehr süß, und man weiß nie, wie ein Mann damit umgehen wird, bis man ihm Gelegenheit gibt, es auszuprobieren.«
»Ich weiß nicht, warum du dir soviel Gedanken machst. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß ich sehr oft die Verantwortung tragen werde.«
»Man kann nie wissen, Garion. Man kann nie wissen.«
Sie ritten über den unfruchtbaren schwarzen Sand der Öde auf die vor ihnen liegenden düsteren Berge zu. Hinter ihnen stieg die Mondsichel empor mit ihrem kalten, weißen Licht. Am Rande des Ödlandes wuchsen ein paar verkrüppelte Dornbüsche, die sich tief in den Sand duckten und vor Frost silbern glänzten. Etwa eine Stunde vor Mitternacht erreichten sie schließlich felsigen Untergrund, und die Hufe der Pferde klapperten laut, als sie aus der Sandwüste herauskamen. Auf dem ersten Hügelrücken hielten sie an, um zurückzuschauen. Die dunkle Öde hinter ihnen war gesprenkelt mit den Wachfeuern der Murgos, und weit hinten auf ihrer eigenen Spur konnten sie sich bewegende Fackeln erkennen.
»Ich hatte mir schon Sorgen deswegen gemacht«, sagte Silk zu Belgarath, »aber es sieht aus, als hätten sie unsere Spur nun doch noch gefunden.«
»Hoffen wir, daß sie sie nicht wieder verlieren«, erwiderte der alte Mann.
»Das halte ich für unwahrscheinlich. Ich habe sie sehr deutlich gemacht.«
»Murgos können manchmal sehr unzuverlässig sein.«; Belgarath schien sich völlig erholt zu haben, aber Garion sah, daß seine Schultern müde herabhingen, und war froh, daß sie nicht vorhatten, die ganze Nacht zu reiten.
Die Berge, in die sie jetzt kamen, waren so trocken und steinig, wie die im Norden gewesen waren. Drohende Klippen ragten empor, auf dem Boden waren vereinzelte Flecken Laugensalz,
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