Turm der Hexer
beobachtete. Ce’Nedra stolperte weiter, ihre Einwände wurden immer unerheblicher. Noch während sie redete, erkannte sie, daß es eigentlich keinen Grund für sie gab, nicht nach Riva zu gehen. Ihre Weigerung erschien ihr unsinnig, geradezu kindisch. Warum, um Himmelswillen, hatte sie ein solches Theater deswegen gemacht? Der kleine Junge in ihren Armen lächelte sie ermutigend an, und ohne etwas dagegen tun zu können, lächelte sie zurück, ihre Verteidigung zerbröckelte langsam. Sie unternahm einen letzten Versuch. »Es ist doch nur eine dumme, alte Formalität, Polgara«, sagte sie. »Niemand wird in der Halle des Rivanischen Königs auf mich warten dort hat nie jemand gewartet. Das Königshaus Riva ist ausgestorben.« Sie löste ihren Blick von dem Gesicht des Kindes. »Muß ich wirklich gehen?«
Polgara nickte ernst.
Ce’Nedra stieß einen tiefen Seufzer aus. Diese ganze Streiterei schien so unnötig. Was hatte es für einen Sinn, ein solches Theater wegen einer kleinen Reise zu machen? Sie war ja nicht mit irgendwelchen Gefahren verbunden. Wenn es die Leute glücklich machte, warum dann so stur sein? »Ach, ist gut«, gab sie nach. »Wenn es für alle so wichtig ist, werde ich wohl nach Riva gehen.« Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich viel besser, nachdem sie das gesagt hatte. Das Kind in ihren Armen lächelte wieder, tätschelte ihr sanft auf die Wange und schlief wieder ein. Versunken in einer plötzlichen, unerklärlichen Glückseligkeit, legte die Prinzessin ihre Wange wieder an die Locken des Kindes, wiegte sich sanft hin und her und summte leise vor sich hin.
Teil Zwei
Riva
9
W ieder einmal führte Relg sie durch die dunkle, schweigende Welt der Höhlen, und wieder haßte Garion jeden einzelnen Augenblick. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, daß sie Prolgu verlassen hatten, wo Ce’Nedras Abschied von dem liebenswerten, alten Gorim lang und tränenreich gewesen war. Die Prinzessin irritierte Garion, und er stellte mehrere Mutmaßungen über sie an, während er in der muffigen Finsternis vorwärts stolperte. Irgend etwas war in Prolgu geschehen. Auf sehr subtile Weise war Ce’Nedra verändert und aus irgendeinem Grund machten ihn diese Veränderungen nervös.
Endlich, nach unzähligen Tagen in den dunklen, gewundenen Gängen, kamen sie wieder in die Welt aus Licht und Luft, und zwar durch eine unregelmäßige, von Büschen verdeckte Öffnung im Steilhang einer Schlucht. Es schneite heftig, und große Schneeflocken sanken lautlos durch die windstille Luft. »Bist du sicher, daß wir in Sendarien sind?« fragte Barak Relg, während er sich durch die Büsche kämpfte.
Relg zuckte die Achseln und band sich wieder einmal einen Schleier vor das Gesicht, um seine Augen vor dem Licht zu schützen. »Wir sind jedenfalls nicht mehr in Ulgo.«
»Es gibt viele Orte, die nicht in Ulgo sind, Relg«, erinnerte Barak ihn mürrisch.
»Es sieht ein bißchen aus wie Sendarien«, stellte König Cho-Hag fest und beugte sich im Sessel vor, um aus der Höhle in den weich fallenden Schnee zu starren. »Hat jemand eine Ahnung, welche Tageszeit wir haben?«
»Schwer zu sagen, bei solchem Schneefall, Vater«, sagte Hettar. »Die Pferde glauben, es ist Mittag, aber ihre Vorstellung von Zeit ist recht vage.«
»Wunderbar«, meinte Silk spöttisch. »Wir wissen nicht, wo wir sind oder welche Zeit es ist. Das fängt ja prächtig an.«
»So wichtig ist es nun auch wieder nicht, Silk«, sagte Belgarath müde. »Wir müssen nur nach Norden reiten. Dann treffen wir irgendwann auf die Große Nordstrasse.«
»Schön«, entgegnete Silk. »Und wo ist Norden?«
Garion beobachtete seinen Großvater angespannt, als dieser in die verschneite Schlucht hinausblickte. Das Gesicht des alten Mannes wies Falten der Müdigkeit auf, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Trotz der mehr als zweiwöchigen Erholung in der Feste und Tante Pols Ansicht, daß er reisefähig war, hatte Belgarath sich von seinem Zusammenbruch offenbar noch nicht wieder ganz erholt.
Als sie aus der Höhle traten, zogen sie ihre Mäntel an, strafften die Sattelriemen und brachen auf.
»Keine einladende Gegend, nicht wahr?« sagte Ce’Nedra zu Adara und sah sich kritisch um.
»Es ist Bergland, Ce’Nedra«, verteidigte Garion sofort seine Heimat.
»Es ist auch nicht schlechter als die Berge in Oststolnedra.«
»Das hatte ich auch nicht behauptet, Garion«, erwiderte sie in aufreizendem Ton.
Sie ritten einige Stunden, bis sie irgendwo im Wald
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