Turm der Hexer
Brust. Halte die Spitze so tief, daß er, wenn er dich angreift, den Speer nicht mit den Hauern wegwerfen kann. Versuche, es diesmal richtig zu machen. Beeil dich, Garion. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, weiß du.« Der große Mann stieß den toten Keiler mit dem Fuß an, und der Keiler stand auf und begann im Schnee zu scharren. Barak warf Garion einen raschen Bück zu.
»Bist du bereit?«
Dann stand er auf einer seltsamen, farblosen Ebene, und um ihn herum schienen lauter Statuen zu stehen. Nein. Keine Statuen Gestalten. König Anheg war da oder eine Gestalt, die aussah wie er –, König Korodullin und Königin Islena, der Graf von Jarvik war dort, und da drüben stand Nachak, der Botschafter von Cthol Murgos in Vo Mimbre.
»Welchen Stein willst du setzen?« Das war die trockene Stimme in seinem Geist.
»Ich kenne die Regeln nicht«, wandte Garion ein.
»Das spielt keine Rolle. Du mußt ziehen. Du bist an der Reihe.«
Als Garion sich umdrehte, rannte eine der Gestalten auf ihn zu. Sie trug einen Kapuzenmantel und hatte vor Irrsinn vorquellende Augen. Ohne zu überlegen, hob Garion die Hand, um den Angriff abzuwehren.
»Ist das der Zug, den du machen willst?« fragte eine Stimme.
»Ich weiß nicht.«
»Es ist zu spät, ihn noch zu ändern. Du hast ihn schon berührt. Von jetzt an mußt du deine eigenen Züge machen.«
»Ist das eine der Regeln?«
»So ist es nun einmal. Bist du bereit?«
Es roch nach Lehm und uralten Eichen. »Du mußt wirklich lernen, deine Zunge im Zaum zu halten, Polgara«, sagte Asharak der Murgo mit einem sanften Lächeln und schlug Tante Pol ins Gesicht.
»Du bist wieder dran«, sagte die Stimme. »Du kannst nur einen einzigen Zug machen.«
»Muß ich? Gibt es sonst nichts, was ich tun könnte?«
»Es gibt nur den einen Zug. Beeil dich.«
Mit einem tiefen Seufzer des Bedauerns streckte Garion die Hand aus und setzte Asharak mit seiner Handfläche in Flammen.
Eine plötzliche, heftige Bö ließ die Tür des Zimmers auffliegen, das Garion mit Lelldorin teilte, und die beiden saßen kerzengerade in ihren Betten.
»Ich verriegele sie wieder«, sagte Lelldorin, schlug seine Decke zurück und stolperte über den kalten Steinfußboden.
»Wie lange will es denn noch so stürmen?« fragte Garion verdrießlich. »Wie soll man denn bei dem Lärm schlafen?«
Lelldorin schloß die Tür wieder, und Garion hörte ihn in der Dunkelheit hantieren. Er hörte ein schabendes Geräusch, und plötzlich sprühte ein Funken. Er ging wieder aus, und Lelldorin versuchte es noch einmal. Diesmal fing der Zunder Feuer. Der junge Asturier pustete darauf. Es wurde heller, dann flackerte eine kleine Flamme auf.
»Hast du eine Ahnung, wie spät es ist?« fragte Garion, während sein Freund eine Kerze anzündete.
»Ein paar Stunden vor Morgengrauen, denke ich.«
Garion stöhnte. »Ich habe das Gefühl, diese Nacht dauert schon zehn Jahre.«
»Wir können uns ja eine Weile unterhalten«, schlug Lelldorin vor.
»Vielleicht läßt der Wind gegen Morgen nach.«
»Sich zu unterhalten ist jedenfalls besser, als hier im Dunkeln zu liegen und sich bei jedem Geräusch zu erschrecken«, stimmte Garion zu, setzte sich auf und zog sich die Decke um die Schultern.
»Seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, hast du einiges erlebt, nicht wahr, Garion?« fragte Lelldorin und kletterte wieder ins Bett.
»Vieles, und nicht nur Gutes.«
»Du hast dich sehr verändert«, stellte Lelldorin fest.
»Ich bin verändert worden. Das ist ein Unterschied. Das meiste davon war nicht meine Idee. Du hast dich aber auch verändert, weißt du das?«
»Ich?« Lelldorin lachte reuevoll. »Ich fürchte nein, mein Freund. Das Durcheinander, das ich in der vergangenen Woche angerichtet habe, ist der Beweis, daß ich mich überhaupt nicht verändert habe.«
»Das wieder geradezubiegen wird wohl eine Weile dauern, was?« gab Garion ihm recht. »Das Spaßige daran ist, daß dem Ganzen tatsächlich eine verdrehte Logik zugrunde liegt. Nicht eine einzige deiner Taten war tatsächlich verrückt. Nur wenn man alles zusammen betrachtet, sieht es aus wie eine Katastrophe.«
Lelldorin seufzte. »Und meine arme Ariana und ich sind zu ewigem Exil verdammt.«
»Das können wir bestimmt verhindern«, beruhigte ihn Garion.
»Dein Onkel wird dir verzeihen, und Torasin wahrscheinlich auch. Er hat dich zu gern, um dir lange böse zu sein. Baron Oltorain ist vermutlich sehr wütend auf dich, aber er ist Mimbrater. Er wird alles verzeihen,
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