Turm der Hexer
Ce’Nedra heiraten soll?«
»So weit hatte ich noch nicht gedacht«, gestand Silk, »aber der Vertrag spricht irgendwo davon, nicht wahr?«
»Gratuliere, Garion!« rief Lelldorin und klopfte seinem Freund auf die Schulter. »Sie ist ein schönes Mädchen.«
Garion überhörte das. »Kannst du dir etwas ausdenken, wie ich da herauskommen kann?« wollte er von Silk wissen.
»Garion, im Moment kann ich an gar nichts denken, außer daran, wie schlecht es mir geht. Meine Vorahnung sagt mir jedoch, daß es keinen Ausweg für dich gibt. Jedes Königreich des Westens ist Unterzeichner des Vertrags außerdem hat die Prophezeiung meiner Meinung nach etwas damit zu tun.«
»Das hatte ich vergessen«, gab Garion bedrückt zu.
»Man läßt dir sicher Zeit, dich an die Vorstellung zu gewöhnen«, versuchte Lelldorin zu trösten.
»Aber wieviel Zeit läßt man Ce’Nedra? Ich habe heute morgen mit ihr gesprochen, und sie ist ganz und gar nicht erbaut von dieser Idee.«
»Aber sie haßt dich doch nicht gerade«, meinte Silk.
»Das ist nicht das Problem. Sie glaubt anscheinend, daß ich ihr den Rang ablaufe, und das regt sie auf.«
Silk begann schwach zu lachen.
»Ein wahrer Freund würde nicht lachen«, warf Garion ihm vor.
»Ist denn ihr Rang für deine Prinzessin so wichtig?« fragte Lelldorin.
»Kaum wichtiger als ihr rechter Arm«, erwiderte Garion säuerlich.
»Ich glaube, sie hält sich sechs bis achtmal in der Stunde vor, daß sie eine kaiserliche Prinzessin ist. Sie macht großen Wirbel darum. Und jetzt komme ich aus dem Nichts daher und stehe im Rang über ihr. So etwas macht sie wild und in Zukunft wird das wohl ständig der Fall sein.« Er hielt inne und betrachtete Silk genauer. »Glaubst du, es besteht die Möglichkeit, daß du dich heute noch erholst?«
»Was hast du vor?«
»Kennst du dich überhaupt in Riva aus?«
»Natürlich.«
»Ich dachte, ich sollte vielleicht einmal in die Stadt hinuntergehen, ohne Trompetenklang und so, sondern ganz normal gekleidet. Ich weiß überhaupt nichts über die Rivaner, und jetzt…« Er stockte.
»Und jetzt bist du ihr König«, beendete Lelldorin den Satz für ihn.
»Vielleicht keine schlechte Idee«, stimmte Silk zu. »Obwohl ich das nicht richtig beurteilen kann. Mein Gehirn arbeitet im Moment nicht besonders gut. Aber es muß natürlich heute sein. Deine Krönung ist für morgen angesetzt, und nachdem man dir die Krone aufs Haupt gedrückt hat, ist deine Bewegungsfreiheit wahrscheinlich sehr eingeschränkt.«
Daran wollte Garion lieber nicht denken.
»Ich hoffe, es macht euch beiden nichts aus, wenn ich erst noch eine Weile brauche, um wieder zu mir zu kommen«, setzte Silk hinzu und nahm wieder einen Schluck aus dem Krug. »Aber eigentlich spielt es keine Rolle, ob es euch etwas ausmacht oder nicht. Es ist einfach eine Frage der Notwendigkeit.«
Der wieselgesichtige kleine Mann brauchte nur etwa eine Stunde, um sich zu erholen. Seine Behandlungsmethode war brutal direkt. Er nahm in ungefähr gleich großen Mengen heißen Wasserdampf und kaltes Bier ein und sprang dann aus dem Dampfbad direkt in ein Becken mit eiskaltem Wasser. Er war blaugefroren und zitterte, als er wieder herauskam, aber das Schlimmste schien er hinter sich zu haben. Er wählte sorgsam unauffällige Kleidung für die drei aus, dann führte er sie durch eine Seitenpforte aus der Zitadelle. Garion sah ein paarmal zurück, aber sie schienen den hartnäckigen Diener, der ihn den ganzen Morgen verfolgt hatte, abgeschüttelt zu haben.
Als sie in die Stadt hinunterwanderten, war Garion betroffen von der düsteren Strenge des Ortes. Das Äußere der Häuser war einheitlich grau und völlig schmucklos. Sie waren solide, viereckig und absolut trist. Der graue Mantel, der das hervorstechendste Merkmal der rivanischen Nationaltracht war, gab den Menschen in den schmalen Straßen den Anschein derselben Grimmigkeit. Garion sank das Herz bei dem Gedanken, den Rest seines Lebens an einem so wenig einladenden Ort zu verbringen.
Im blassen Wintersonnenschein gingen sie eine lange Straße entlang, wo der Salzgeruch des Hafens deutlich wahrzunehmen war, und kamen an einem Haus vorbei, in dem Kinder sangen. Ihre Stimmen waren klar und rein und verbanden sich in zarten Harmonien. Garion staunte über die verschlungene Melodie des Liedes.
»Ein nationaler Zeitvertreib«, erklärte Silk. »Die Rivaner lieben Musik sehr. Ich nehme an, es hilft, die Langeweile zu vertreiben. Ich möchte Eure Majestät nicht
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