Turm der Hexer
Vorwurf.
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Dann willst du mich heiraten?«
»Das habe ich auch nicht gesagt, aber es spielt auch keine Rolle, oder? Wir haben keine Wahl, keiner von uns.«
»Ist es das, was dich so bekümmert?«
Ihr Blick war hochmütig. »Natürlich nicht. Ich wußte schon immer, daß mein Gatte für mich ausgesucht werden würde.«
»Wo liegt dann das Problem?«
»Ich bin eine kaiserliche Prinzessin, Garion.«
»Das weiß ich.«
»Ich bin es nicht gewöhnt, jemandem untergeordnet zu sein.«
»Untergeordnet? Wem?«
»Der Vertrag besagt, daß du Großkönig des Westens bist.«
»Und?«
»Das heißt, Eure Majestät, daß du mir den Rang abläufst.«
»Ist das alles, worüber du dich aufregst?«
Ihr Blick war tödlich. »Mit Erlaubnis Eurer Majestät werde ich mich jetzt zurückziehen.« Und ohne eine Antwort abzuwarten, schoß sie aus dem Zimmer.
Garion starrte ihr nach. Das ging zu weit. Er überlegte, ob er sofort zu Tante Pol gehen sollte, aber je mehr er darüber nachdachte, desto mehr kam er zu der Überzeugung, daß sie keinerlei Mitgefühl zeigen würde. Zu viele kleine Dinge paßten auf einmal zusammen. Tante Pol war nicht nur an dieser absurden Idee beteiligt, sie hatte auch bewußt alles in ihrer Macht Stehende getan, um sicherzugehen, daß es für ihn kein Entrinnen gab. Er mußte mit jemandem reden, mit jemandem, der verschlagen und skrupellos genug war, um einen Ausweg aus dieser Situation zu finden. Er verließ Ce’Nedras Wohnzimmer und begab sich auf die Suche nach Silk.
Der kleine Mann war nicht in seinem Zimmer, und der Diener, der damit beschäftigt war, das Bett zu machen, verbeugte sich unentwegt, während er Entschuldigungen stammelte, keine Ahnung zu haben, wo Silk sein könnte. Garion ging rasch wieder hinaus.
Da die Wohnung, die Barak mit seiner Frau und den Kindern teilte, nur ein paar Schritte weiter lag, ging Garion dorthin und bemühte sich, den Graugekleideten zu ignorieren, der ihm, wie er wußte, noch immer folgte. »Barak«, rief er, als er anklopfte, »ich bin es, Garion. Darf ich hereinkommen?«
Die Gräfin Merel öffnete sofort die Tür und knickste.
»Bitte, laß das«, bat Garion.
»Was ist los, Garion?« fragte Barak. Er saß auf einem grünbezogenen Stuhl, wo er seinen Sohn auf den Knien schaukelte.
»Ich suche Silk«, antwortete Garion und trat in das große, gemütliche Zimmer, in dem überall Kleidungsstücke und Kinderspielzeug herumlagen.
»Mir scheint, du hast einen etwas wilden Blick in den Augen«, stellte Barak fest. »Worum geht’s?«
»Ich habe gerade sehr beunruhigende Neuigkeiten erfahren«, erzählte Garion schaudernd. »Ich muß mit Silk sprechen. Vielleicht weiß er einen Ausweg für mich.«
»Möchtest du mit uns frühstücken?« fragte Merel.
»Nein, danke, ich habe schon gegessen.« Garion betrachtete sie genauer. Sie hatte die strengen Zöpfe gelöst, die sie für gewöhnlich trug, und ihr blondes Haar umrahmte jetzt weich ihr Gesicht. Sie trug ihr übliches grünes Kleid, aber ihre Haltung wirkte nicht mehr so steif wie sonst. Auch Barak hatte, wie Garion bemerkte, etwas von der grimmigen Abwehr verloren, die er früher in Gegenwart seiner Frau ständig zur Schau gestellt hatte.
Baraks Töchter kamen ins Zimmer, Botschaft zwischen sich. Sie setzten sich in eine Ecke und begannen ein kompliziertes Spiel, zu dem offenbar viel Gekicher gehörte.
»Ich glaube, meine Töchter haben ihn mit Beschlag belegt.«
Barak grinste. »Plötzlich stecke ich bis über die Ohren im Familienleben, und das Spaßige ist, daß es mir auch noch gefällt.«
Merel warf ihm ein schnelles, fast scheues Lächeln zu. Dann sah sie zu den lachenden Kindern hinüber. »Die Mädchen beten ihn regelrecht an«, sagte sie. Dann wandte sie sich wieder an Garion. »Hast du schon gemerkt, daß man ihm nicht länger als einen Moment direkt in die Augen sehen kann? Er scheint einem mitten ins Herz zu blicken.« Garion nickte. »Ich glaube, das hat etwas damit zu tun, wie er allen Menschen vertraut«, vermutete er. Er wandte sich wieder an Barak.
»Hast du eine Ahnung, wo ich Silk finden könnte?«
Barak lachte. »Geh durch die Gänge und lausche auf das Klappern von Würfeln. Der kleine Dieb spielt schon, seit wir hier angekommen sind. Durnik weiß es vielleicht. Er versteckt sich draußen in den Ställen. Könige machen ihn nervös.«
»Mich auch«, sagte Garion.
»Aber du bist ein König, Garion«, erinnerte Merel ihn.
»Das macht mich nur noch
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