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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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Pferdeäpfeln.
    In Faucheville hätte der Stallmeister solche Schlamperei nicht geduldet,
sagte sich Séverine und rümpfte die Nase.
    Philippes Destrier, Juliens Pferd und ihr eigener schwerblütiger Reisegefährte standen abseits der Streitrösser des Hauptmanns und seiner Ritter. Julien kümmerte sich in gewohnter Manier um sie. Unter ihren Hufen war die Erde gefegt und das Stroh trocken. Séverine wollte sich eben zufrieden abwenden, als ihr in der hintersten Ecke eine graue Pferdekuppe ins Auge stach. Silbergrau, frisch gestriegelt und glänzend. Spontan gab sie ihrer Neugier nach und schlenderte in die Richtung. Jeanne schlief viel in diesen Tagen, so dass sie Zeit fand, die Burg genau zu erkunden.
    Das Licht im entferntesten Winkel war nicht sonderlich gut, aber dennoch erkannte sie auf den ersten Blick, dass ihre Ahnung sie nicht getrogen hatte.
    »Marjolaine!«
    Beim Laut ihrer Stimme wandte das Pferd den Kopf und schnaubte leise zur Begrüßung.
    In überschäumender Wiedersehensfreude umklammerte Séverine den Pferdehals und vergrub das Gesicht in Marjolaines Mähne. Erst beim Wiederaufschauen entdeckte sie den Mann, der mit einem Striegel in einer Hand gelassen auf sie herabsah.
    Er war einfach gekleidet. Bei näherer Betrachtung schreckte sie jedoch vor ihm zurück. Vermutlich lag es an der Narbe, die seine rechte Braue teilte und schräg am Auge vorbei über den Wangenknochen lief. Ein roter Wulst, der hässlich den Blick auf sich zog.
    »Verzeiht, ich wollte Euch nicht erschrecken«, entschuldigte er sich mit einer dumpfen Stimme, die wie rollender Stein klang.
    »Ihr habt mich nicht erschreckt.«
    Sie zwang sich, ihn nicht unziemlich anzustarren, und strich Marjolaine zärtlich über die Flanken. Unruhig von einem Bein auf das andere wechselnd, zerrte die Stute an dem Hanfstrick, der sie hielt.
    »Schscht! Ruhig! Du hast mich gleich erkannt.« Die Rührung überwältigte sie. »Marjolaine! Nie hätte ich geglaubt, dich wiederzufinden.«
    »Ihr kennt die Stute?«
    »Sie gehört mir.«
    »Ihr seid mit dem Pferd dort hinten gekommen«, korrigierte er sie und deutete an das andere Ende des Stalles.
    »Das ist kein Pferd, das ist eine Mähre«, entgegnete Séverine verächtlich. »Außerdem konnte ich wohl kaum mit Marjolaine hierherreiten, wenn sie doch in diesem Stall steht. Ich vermute …«
    Sie brach ab. Es musste diesem Stallknecht egal sein, unter welchen Umständen ihr Marjolaine abhandengekommen war. Dass sie Julien und seinen Bruder in Schwierigkeiten brachte, weil sie unbedacht drauflosschwatzte, das fehlte noch. Wo steckte Julien überhaupt? Er hatte ihr versprochen, im Ort nach einer Wehmutter zu forschen.
    »Warum sprecht Ihr nicht weiter?«, machte sich der Mann wieder bemerkbar. »Dass die Stute Euch kennt und ebenfalls mag, ist nicht zu übersehen.«
    Er war weder Pferdeknecht, noch gehörte er zu den Burgwachen, dazu drückte er sich zu gewählt aus. Séverine verengte die Augen und musterte ihn genauer. Sie ließ sich nicht länger von der Narbe abschrecken. Die dunklen Augen, glänzend wie Kohlestücke, halb verborgen unter schweren Lidern, brachten sie, ebenso wie das dichte schwarze Lockenhaar, endlich auf die richtige Spur.
    »Ihr seid Juliens Bruder, nicht wahr? Der Kreuzritter, der den Folterknechten des Königs im letzten Augenblick entkommen ist. Juliens Herr hat Euch zur Flucht verholfen und Euch mein Pferd gegeben. Erinnert Ihr Euch? Es war bei meiner Ankunft in Paris.«
    Er leugnete nicht.
    »Raphael Porcien, zu Euren Diensten. Aber Ihr tut besser daran, mich Rémy zu nennen. Unter diesem Namen bin ich hier bekannt. Rémy der Bogenschütze.«
    »Mein Name ist Séverine Gasnay. Ich nehme an, Julien hat Euch von mir erzählt.«
    »Einiges«, antwortete er knapp. »Vergesst, was Ihr über mich wisst. Behandelt mich wie die anderen Kriegsknechte. Wenn Ihr meiner Hilfe bedürft, schickt Ihr am besten Julien zu mir. Er weiß, wo er mich findet.«
    Die Finger in Marjolaines Mähne vergraben, nickte sie.
    »Da seid Ihr ja.«
    Julien war auf der Suche nach ihr und streckte den Kopf in den Stall. »Schnell. Monseigneur erwartet Euch in der großen Halle. Es sind Nachrichten aus Poissy eingetroffen, die ihn zum Aufbruch zwingen.«
    Séverine rannte unverzüglich hinter ihm her.
    »Du hättest mir sagen können, dass Marjolaine im Stall der Burg steht«, rief sie Julien vorwurfsvoll im Laufen zu.
    Es passte so wenig zu ihm, dass er ihr nicht antwortete, dass Séverine einen Anflug von

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