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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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erstreckend, vor ihrem Auge erschienen war, war sie vom Sehen und Wundern völlig vereinnahmt.
    Adrien musste sie bis in die Stadt am Zügel geleiten. Überfordert von den vielfältigen Eindrücken, konnte sie nur noch staunen.

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Zweites Kapitel
    I hr seid zurück, Seigneur! Der Himmel muss Euch geschickt haben.«
    Ein Junge, schmutzig, frech und unbekümmert, grinste Adrien an, der Séverines Pferd noch am Zügel hielt. Sein schmales, langes Gesicht erinnerte Séverine an die Windhunde des Barons.
    »Der Teufel soll dich holen, Julien. Wie siehst du aus, und was hast du hier zu suchen? Wolltest du nicht deine Familie besuchen?«
    »Ich brauche Eure Hilfe, Seigneur.
Wir
brauchen Eure Hilfe.«
    Nach einem kurzen prüfenden Blickwechsel befahl Adrien Julien, vorauszugehen. Er nahm Séverines Pferd noch enger, während der Junge blitzartig um eine Ecke und in einem Toreingang verschwand.
    »Wer ist das?«, unterbrach Séverine Adriens unterdrückte Flüche. Es war nicht zu verkennen, dass ihn das Auftauchen des Burschen verärgerte.
    Sie rechnete schon nicht mehr mit einer Antwort, als er sagte: »Julien. Julien von Porcien aus der vielköpfigen Verwandtschaft des Herrn Konnetabel. Der Bursche ist mein Knappe. Er sollte nach seiner Rückkehr in meinem Quartier auf mich warten. Ich werde ihm die Ohren langziehen dafür, dass er sich am Stadttor herumtreibt.«
    Der oberste Befehlshaber der königlichen Streitkräfte, wie der offizielle Titel des Konnetabels von Frankreich lautete, war einer der höchsten Würdenträger der Krone.
    »Du hältst die Pferde«, befahl Adrien, im Hinterhof angekommen, seinem Knappen. Séverine wies er an, im Sattel zu bleiben. Eine Gruppe bäuerlich gekleideter Männer stand so dicht gedrängt um einen Karren, dass sie nicht erkennen konnte, was sich auf der Ladefläche befand.
    Adrien ging auf die Männer zu und begann unverzüglich zu gestikulieren. Séverine verstand kein Wort, doch Adriens Körperhaltung sprach für sich. Es war ein kurzer, aber heftiger Streit. Als Adrien wieder auf sie zukam, hielt er ihr die Hand auffordernd entgegen.
    »Steig ab«, befahl er. »Wir brauchen dein Pferd. Das letzte Stück werden wir gemeinsam auf meinem Destrier bewältigen müssen.«
    Séverine war fassungslos. Jetzt nahm er ihr auch noch Marjolaine. Sie war ihr wie ein Freund. Sie hatte sie gepflegt, gefüttert und hatte auf ihr reiten gelernt. Konnte er nicht verstehen, was die Stute für sie bedeutete? Was würde er noch alles von ihr verlangen? Marjolaine war kein Streitross, aber sie kam aus Fauchevilles bester Zucht. Warum vertraute er sie mitsamt ihrem kostbaren Sattel diesen Bauern an?
    Julien griff nach Adriens Hand und küsste sie in stummer Dankbarkeit.
    »Freu dich nicht zu früh, Bursche«, knurrte Adrien. »Du wirst mir einiges zu erklären haben, wenn ich nach Hause komme. Und nun vorwärts.«
    Séverine sah ihm an, dass er keine weiteren Fragen duldete. Sie fügte sich und erklomm mit Juliens Hilfe sein Pferd. Adrien brummte einen Gruß, umfasste ihre Taille und lenkte den Destrier zurück auf die Gasse.
    »Vergiss, was du gesehen hast«, befahl er knapp.
    Nie zuvor hatte er so barsch mit ihr geredet. Eingeschüchtert fragte sie nicht weiter nach dem Grund. Was verband ihn mit diesen Männern?
    Nach einem längeren Ritt durch labyrinthisch enge Gassen und überfüllte Straßen passierten sie den Torbogen eines hochherrschaftlichen Hauses. Adriens Aufforderung, vom Pferd zu steigen, bewies ihr, dass sie nicht taub geworden war. Für einen Augenblick hatte sie es wegen des städtischen Lärms befürchtet. Ganz wirr im Kopf, geriet sie ins Stolpern, als ihre Füße wieder Boden berührten. Sein schneller Zugriff bewahrte sie vor einem Sturz.
    »Wir sind am Ziel, Séverine«, sagte er. »Hier wird dein neues Zuhause sein. Bei Jeanne von Burgund, der Gemahlin des Grafen von Poitiers, wirst du dich wohl fühlen, und ich zweifle nicht daran, dass ihr Freundschaft schließen werdet.«
    »Bei der Schwiegertochter des Königs soll ich wohnen?«
    Sie verengte die Lider und sah sich zwischen den hoch aufragenden Mauern und Türmen um. Es schien ihr, als reichten sie bis in den Himmel hinauf. Das prachtvolle Maßwerk der Steinmetzarbeiten und das Funkeln der blitzenden Fensterscheiben entging ihr vor Entsetzen über das winzige Stückchen Abendrot, das im Rahmen all der Steine sichtbar wurde.
    »Du scherzt.«
    Adrien hatte sie absichtlich bis jetzt nicht eingeweiht. Er wollte den Diskussionen

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