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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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andere. Philippe blieb hart. Auch als die Schläfenadern Mahauts zornig anschwollen und ihre Stimme zu voller Lautstärke anstieg.
    »Jeanne wünscht, dass unsere Töchter unbehelligt von den Ereignissen und in Frieden aufwachsen. Im Trubel Eures Lebens und Eures Hofstaates wäre das nicht gewährleistet. Womöglich würden sie aus den Gesprächen Eurer Damen am Ende erfahren, wie ernst die Dinge wirklich stehen. Meine Älteste ist inzwischen verständig genug, um solches Gerede aufzuschnappen. Es kommt nicht in Frage, ein solches Risiko einzugehen.«
    Mahaut scheiterte an Philippes eisernem Willen. Sie erwies ihm ächzend die Reverenz, die ihm als Prinz von Frankreich zustand, um den unerfreulichen Besuch zu beenden.
    Ihr Schwiegersohn bat sie weder zu bleiben, noch lud er sie an seine Tafel.
    * * *
    Jacquemine und die Amme brachten die Kinder wieder in ihre Räume zurück. Sie hatten es so eilig, dass sie Jeanne dabei kurz aus den Augen verloren.
    Mahauts Hofstaat hatte sich in der Halle niedergelassen. Mägde servierten Beerenwein und kleine Törtchen sowie Burgunder für die Herren. Jeanne beobachtete die heitere Gesellschaft und realisierte plötzlich, dass es seit langem der erste Besuch war. Nicht einmal ihre Tanten, für die das
Hôtel d’Alençon
ein zweites Zuhause war, hatten sich in den vergangenen Wochen blicken lassen. Wo steckten sie? Bei Mama?
    Keine der Ehrendamen achtete auf das Kind, das halb hinter einer Säule verborgen ihrem angeregten Geplauder lauschte.
    »… sie wird den König wohl kaum davon überzeugen können, dass ihre älteste Tochter unschuldig ist«, sagte eine von ihnen. »Als kluge Frau hätte Jeanne von Burgund wissen müssen, dass man mit der Königin von Navarra und einer dummen Gans wie der Gräfin von Marche nicht gemeinsame Sache macht.«
    Sie sprachen von Mama und ihren Tanten. Jeanne rückte noch näher. Ihr Gefühl sagte ihr längst, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Neugierig lauschte sie.
    »Unsere Herrin wird die richtigen Argumente finden. Wenn jemand Seine Majestät zu nehmen weiß, dann ist sie es«, warf eine andere Hofdame ein.
    »Diesmal wird nicht einmal ihr Einfluss ausreichen, den Schaden zu begrenzen. Philippes Frau ist beim König in unsägliche Ungnade gefallen«, mischte sich eine andere ein. »Vermutlich wird die Gräfin von Poitiers den Rest ihrer Tage in einem Kloster zubringen müssen.«
    »Wo bleibst du? Warum bist du uns nicht gefolgt?« Jacquemine hatte Jeanne gefunden. Sie ergriff ihre Hand und zog sie ungewohnt heftig mit sich.
    Das Kind ließ es wortlos geschehen. Zutiefst erschrocken und voller Angst versuchte Jeanne, das Erlauschte zu begreifen. Mama würde nie wieder zurückkommen? Hatte sie das richtig verstanden?
    Mahaut rauschte hinter ihnen in die Halle. Hörbar verdrießlich gab sie ihrer Begleitung den Befehl zum sofortigen Aufbruch.
    »Du kannst von Glück sagen, dass deine Großmutter dich nicht entdeckt hat«, tadelte Jacquemine kurzatmig, während sie die Stufen zur Kinderkammer erklommen. »Es schickt sich nicht, zu lauschen und neugierig zu sein, habe ich dir das nicht schon viele Male gesagt?«
    Jeanne blieb stumm. Ungnade. Kloster. Die Worte gingen ihr durch den Kopf, aber sie konnte keine Zusammenhänge entdecken. Mama in einem Kloster? Sie war ihre Mutter und keine Nonne.
    Séverine erkannte auf den ersten Blick, dass Jeanne verändert war, als sie wieder in die Kinderkammer trat.
    »Was ist mit dir? Du bist blass wie die Wand. Tut dir etwas weh?« An Jacquemine gewandt, die sich verschnaufend auf einer Bank niedergelassen hatte, fragte sie: »Hat Mahaut ihr etwas getan?«
    »Was soll sie ihr getan haben? Ausgefragt hat sie die Kleinen. Das ist ihr gutes Recht als Großmutter. Du tust ihr unrecht, wenn du immer das Schlimmste vermutest. Sie wirkt streng und abweisend auf andere, aber für ihre Familie will sie stets nur das Beste.«
    Nein. Ich gehöre auch zu ihrer Familie, wo und wann hat sie das Beste für mich getan?,
wollte sie entgegnen, unterdrückte den sinnlosen Widerspruch aber und wandte sich Jeanne zu. Nur das Kind zählte.
    »Jeanne, du siehst aus, als wäre dir ein böser Wolf begegnet. Was ist los, mein Schatz?«
    Das Mädchen sah so unglücklich aus, dass Séverine die Kleine in die Arme nahm.
    »Sie sagen, Mama kommt niemals mehr nach Hause zurück«, stammelte sie endlich erstickt. »Sie ist in … in Ungnade gefallen. Was ist das, Séverine?«
    »Wer sagt so etwas?« Séverine versuchte, Zeit zu

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