Turm der Lügen
steht.«
»Bislang hat stets Mahaut dafür gesorgt, dass Robert, trotz seiner jugendlichen Unerfahrenheit, seinen Aufgaben nachgekommen ist.« Philippe nutzte spontan die Gelegenheit, um einen kühnen Bogen von der Politik zu seinem eigentlichen Anliegen zu schlagen.
»Die lange Krankheit ihres Sohnes und ihre Sorge um das Wohl ihrer Töchter scheinen sie zum ersten Male daran zu hindern. Wenn Ihr wünscht, dass ihre Gebiete in diesen Zeiten treu zur Krone stehen, müsst Ihr etwas tun, um ihren Kummer zu lindern.«
Der König durchschaute die listige indirekte Fürbitte zugunsten Jeannes natürlich sofort, wobei eine Spur von Anerkennung in seinen Augen aufblitzte. »Ihren Kummer und den deinen, nicht wahr? Nun vielleicht gibt es tatsächlich eine Möglichkeit, den gordischen Knoten zu lösen. Wie ich höre, erwartet Jeanne ein Kind. Deinen Sohn – möglicherweise.«
Philippe beherrschte seine Gefühle mit größter Anstrengung. Seit er in den Palast gekommen war, fasste er sich in Geduld, wartete auf die günstige Gelegenheit für dieses Gespräch unter vier Augen. Nun durfte er sich keinen Fehler erlauben.
»Ihr seht mich überglücklich, Sire. Ich bin sicher, dass es dieses Mal ein Sohn wird. Doch ich muss unter den gegebenen Umständen um die Gesundheit seiner Mutter fürchten und damit um seine. Werdet Ihr Jeanne begnadigen?«
»Findest du das vernünftig? Denk nach, Philippe.«
Er nahm die väterliche Aufforderung ernst. Welche Überlegung des Vaters hatte er in seinem Wunsch, Jeanne zu helfen, nicht bedacht?
»Jeanne hat schwere Schuld auf sich geladen.« Der König gewichtete jedes der wenigen Worte.
»Aber sie hat inzwischen lange Monate der Einkehr und Buße hinter sich. Seid barmherzig, Vater, auch mit unserem Kind. Es ist unschuldig und bedarf des Schutzes und der Kraft seiner Mutter.«
»Genau deshalb denke ich, es wäre besser für sie, sie bliebe in der Festung von Dourdan, wo sie seit Monaten lebt. Dort kann sie in aller Ruhe und Abgeschiedenheit das Kind austragen. Es wird, sobald bei Hofe durchsickert, dass sie schwanger ist, früh genug Probleme geben.«
Welche, blieb unausgesprochen.
Obwohl sich alles in Philippe dagegen sträubte, war auch er sich sicher, dass die Nachricht, dass Jeanne ein Kind erwartete, bei seinen Brüdern kaum Freude auslösen würde. Louis hatte eine Tochter, deren Legitimität er in aller Öffentlichkeit bezweifelte. Charles hatte Blanche in den vergangenen Jahren zweimal geschwängert, aber nie hatte sie das Kind austragen können. Dass Jeanne den Sohn zur Welt bringen könnte, der ihnen bisher verwehrt geblieben war, brachte sie und das Kind in Gefahr.
»Ich sehe, du verstehst mich.« Der König las seine Gedanken. Er verschränkte die Arme auf dem Rücken und schritt langsam auf und ab. »Die Burg von Dourdan ist nicht so luxuriös wie dein Haus in Paris, aber sie hat einen entscheidenden Vorteil. Ein einziges Tor, das sehr gut bewacht ist.«
»Erlaubt mir bitte dennoch, dass ich meine Frau spreche. Dass ich ihr einen Funken Hoffnung bringe«, bat Philippe. »Es wird ihr bessergehen, wenn sie weiß, dass die Maßnahmen auch ihrem und dem Schutz des Kindes dienen.«
»Sie wird ihre Pflicht tun, wie es sich für ein Mitglied der königlichen Familie gehört«, erhielt er streng zur Antwort. »Wenn das Kind geboren ist, werde ich weitere Entscheidungen fällen.«
»Jeanne hat drei Töchter zur Welt gebracht.« Philippe trat der Schweiß auf die Stirn. »Bei jeder Schwangerschaft gab es Probleme. Ich fürchte nicht nur um ihre Gesundheit, ich fürchte um ihr Leben.«
»Umso mehr sollte sie in Ruhe bleiben, wo sie ist. Ich will dir aber die Erlaubnis gewähren, Jeanne zu besuchen und für ihr Wohl zu sorgen. Sieh zu, dass ihr eine erfahrene Wehmutter zur Verfügung steht. Dass sie eine vertrauenswürdige Betreuung erhält. Auch magst du für ihre Bequemlichkeit arrangieren, was du für angebracht hältst. Sie wird jedoch hinter Schloss und Riegel bleiben bis zu dem Tag, an dem ich ihre Strafe aufhebe.«
»Wie Ihr befehlt.«
Es klang so zögerlich, dass der König eine Ermahnung für nötig hielt.
»Ich erwarte, dass du unser Gespräch beherzigst und vor allem über die Schwangerschaft Stillschweigen bewahrst. Auch gegenüber Jeannes Mutter.«
Philippe kannte seinen Vater gut genug, um zu wissen, dass dies sein letztes Wort in dieser Angelegenheit war. Er verneigte sich stumm.
»Meine Kanzlei wird ein gesiegeltes Schriftstück für dich ausfertigen, das
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