Turm-Fraeulein
die Schlaufe.«
Offensichtlich war dies nicht das Spiel, das er gespielt hatte, wenngleich es einige Ähnlichkeiten aufwies. Ob man dabei eine ähnliche Strategie verfolgen konnte?
»Ich glaube nicht, daß ich das schon einmal gemacht habe«, erwiderte Grundy vorsichtig.
»Natürlich nicht. Es ist ein besonderes Spiel der Elfen, bei dem Unterschiede an Körpergröße und -kraft aufgehoben werden. Allerdings muß man recht wendig sein, und es kann auch nicht schaden, ein scharfen Verstand zu besitzen.«
Das klang schon besser. »Was ist das für eine Schlaufe, die du da erwähnt hast?«
»Das ist ein besonderer Gegenstand, den wir in unserem Reich schon seit Jahrhunderten besitzen. Was durch die Schlaufe hindurchtritt, kehrt niemals zurück, es sei denn, es ist auf unserer Seite an etwas befestigt, so daß man es schnell wieder zurückholen kann.«
»Hört sich wie das Nichts an«, sagte Grundy erschaudernd.
»Das was?«
Es hatte den Anschein, als wüßten die Elfen dieses Baums nichts über die Geographie des nördlichen Xanth. »Ein schwarzes Loch, das nichts wieder hergibt, was es erst einmal aufgenommen hat.«
»Vielleicht«, meinte Drehbank. »Jedenfalls wird derjenige, der durch die Schlaufe fällt, nicht mehr zurückkehren.«
Es war also tatsächlich ein Duell auf Leben und Tod. Wer immer durch die Schlaufe geriet, war mit Sicherheit erledigt. Wenn er die Vettel hindurchwerfen würde, würde Rapunzel für alle Zeiten von dieser schrecklichen Gefahr in Sicherheit sein. Wenn aber andererseits die Vettel ihn…
Drehbank führte ihn zum Schauplatz des Urteils. Der lag außerhalb der Ulme, genaugenommen direkt daneben. Vom Laubdach hingen dünne Leinen herab, bis sie nahe an den Boden herunterreichten. Auf einzelnen Pfählen, die in den Boden eingelassen waren, standen eine kleine Anzahl von Plattformen – das waren wohl die sogenannten Kästen. Die Pfähle waren schlank und reichten etwa bis zur Hälfte des Baumstamms empor, so daß die kleinen Plattformen im Wind leicht schwankten. Grundy bemerkte, daß jeder Kasten von einem Lattengerüst umgeben war, so daß jemand, der darauf stand, etwas zum Festhalten hatte. Dennoch wirkte es nicht ungefährlich. Er würde es vorziehen, sich einer Leine anzuvertrauen, immer vorausgesetzt, daß seine zerschundenen Hände noch kräftig genug waren, um sich daran festzuhalten. Die Salbe hatte zwar ausgezeichnete Arbeit geleistet, doch noch immer waren die Wunden nicht ganz verheilt.
Er blickte nach unten. Die Höhe war schwindelerregend. Dort, innerhalb des Kreises aus Pfählen, befand sich ein großer Trichter, der glitzerte, wahrscheinlich hatte man ihn eingefettet. In der Mitte war ein kleines dunkles Loch zu erkennen: die Schlaufe.
Drehbank reichte ihm ein Messer. Es war klein, seiner Hand angepaßt. Die Klinge war an beiden Schneiden hauchdünn geschliffen.
»Ein Hieb mit dem Messer durchtrennt eine Leine«, erklärte der Elf. »Um einen Pfahl durchzuhauen, bedarf es mehrerer Hiebe. Allerdings kostet beides Zeit, so daß man an Beweglichkeit einbüßt.«
Warum sagte er das? Grundy zuckte die Schultern und musterte die Anlage, um festzustellen, ob sich irgendeine Strategie anbot.
Es gab sechs Kästen, und pro Kasten baumelten vier Leinen herab, eine an jeder Ecke. Der Kreis der Kästen war eng genug gezogen, daß es möglich zu sein schien, von jedem Kasten aus zu jedem anderen hinüberzuschwingen; doch lagen sie immer noch weit genug voneinander entfernt, daß jeder Versuch, einen Sprung zu wagen, von vorneherein zum Scheitern verurteilt war. Seine Aufgabe bestand also darin, die Vettel in einem Kasten zu isolieren und sie dann in den Trichter zu werfen. Ob er das schaffen würde? Er mußte es einfach!
Nun erschien Rapunzel, von Elfenmädchen umringt. Sie hatte ihre Elfengröße beibehalten und sah trotz ihres kurzen Haars wunderschön aus. Sie mußte auf einem Ast abseits der Arena Platz nehmen, wo sie alles beobachten durfte, ohne sich einmischen zu können.
»Ach, Grundy!« rief sie. »Meine Vorahnung ist Wirklichkeit geworden! Ich wünschte, wir wären nie hierher gekommen!«
Das wünschte er sich jetzt auch. Seine Bemühungen, ihr um der Fairneß willen die Welt der Elfen zu zeigen, hatten sich als katastrophaler Fehler erwiesen. Doch jetzt drohte sie sogar noch Teil dieser Welt zu werden, und zwar auf die schlimmstmögliche Weise.
Dann kam Prinz Bohrer. Er trug kurze Athletenkleider und hatte seinen Bohrer gegen ein zweischneidiges Messer
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