Turm-Fraeulein
weiteren Experimenten mit dem Mundaniaeffekt nachzugehen, und die Gruppe machte sich erneut auf den Weg zum Lager der Faune.
»Ich werde das Bett wieder tragen«, sagte Jordan. »Befestigt es einfach wieder auf meinem Rücken.«
»Aber jetzt ist doch Tag«, protestierte Grundy. »Snorty braucht es.«
»Wieso? Er steht doch da gerade im Tageslicht herum und sieht ganz in Ordnung aus.«
Erstaunt musterten alle das Bettungeheuer. Dort stand Snorty, in vollem Licht, ohne daß es ihm etwas anhaben konnte.
»Wie…?« fragte Grundy.
»Arnolde gab mir einen Splitter des Umkehrholzes«, erklärte Snorty in Bettungeheuersprache. »Er meinte, daß dieses Holz, wenn es schon alle Magie umkehrt, einschließlich der seinen, auch bei mir funktionieren müßte. Also habe ich es versucht.«
»Arnolde ist aber wirklich ein schlauer Zentaur!« meinte Jordan.
»Das hätten wir auch schon früher haben können«, rief Grundy. »Als wir das andere Umkehrholz dabei hatten! Darauf sind wir überhaupt nicht gekommen.«
»Weil wir keine schlauen Zentauren sind«, bemerkte Threnodia.
Also schnürten sie das Bett auf Jordans Rücken. Nun ritten die drei auf Snorty, doch wogen sie zusammen so wenig, daß es ihm nichts ausmachte. Grundy begriff, daß dies Threnodia Gelegenheit gab, sich weiterhin auszuruhen und zu genesen, während sie die Reise fortsetzten. »Weißt du, diese Körpergröße ist wirklich recht angenehm«, bemerkte sie. »Ich sollte sie öfter einsetzen.«
»Mir erscheint sie auf jeden Fall angemessen«, meinte auch Rapunzel.
Grundy sagte nichts. Er hatte keine andere Wahl. Dies war die einzige Körpergröße, die er jemals gekannt hatte.
Der Weg zum Lager der Faune und Nymphen war ein einsamer, ziemlich schmaler Pfad, der sich um ein Erdloch wand, das schon bald zu einer Schlucht wurde. Zu beiden Seiten ragten steile Klippen empor, die in einem zerklüfteten Gebirgszug mündeten, den man aus der Ferne noch nicht hatte erkennen können. Es war offensichtlich, daß dieser Pfad der einzige war, auf dem man dort ins Gebirge kam. Doch ließ er sich durchaus angenehm begehen, und es war auch weit und breit keine Gefahr zu erkennen.
Am Ende des Pfades kamen sie in eine wunderbare Landschaft. Vor ihnen lag ein prächtiger blauer See neben einem wunderschönen kleinen Berg; und rings herum wuchs ein grüner Wald. Umrahmt wurde dieses reizende Fleckchen Erde von einem zerklüfteten Gebirgskreis.
Bald darauf tauchten auch die Bewohner auf. Sie sahen so harmlos aus wie die ganze Landschaft. Es waren tanzende Faune und Nymphen. Die Faune hatten menschenähnliche Gestalt, doch hufförmige Füße, zottige Beine und kleine Hörner auf dem Kopf. Die Nymphen waren nackte, jugendliche Frauen, von denen eine hübscher aussah als die andere. Es war ein betörender Anblick, wie sie beim Tanzen ihre Zöpfe umherwirbeln ließen. »Oh«, sagte Rapunzel und legte eine Hand auf ihr geschorenes Haar.
»Du bist schön, mit oder ohne Haar«, sagte Grundy ernst zu ihr.
»Oh!« wiederholte sie, und ihre Miene hellte sich auf.
Die Faune und Nymphen schwärmten herbei. Von nahem betrachtet schienen sie von sehr unterschiedlichem Typ zu sein, doch alle lächelten sie und waren freundlich. »Es ist so interessant, sie einmal persönlich zu sehen«, meinte Rapunzel. »Dryaden und Dryfaune, Oreaden und Orefaune, Najaden und Najfaune…«
»Was?« fragte Grundy.
»Die verschiedenen Arten von Nymphen und Faunen«, erklärte sie. »Die Drys leben in den Bäumen, die Ores in den Bergen und die Najs im See. Alle passen sie sich an ihre jeweilige Umgebung an…«
Doch nun scharten sich die Bewohner immer enger um sie. »Welch seltsame Wesen!« riefen sie. »Der eine trägt ein Bett, und die anderen sind kleine Leute auf einem Monster!« Denn die Faune und Nymphen waren sehr viel größer als Golems, wenngleich sie nach menschlichen Maßstäben keine Riesen waren.
»Wir suchen einen kleinen Drachen«, erklärte Grundy. »Wir haben gehört, daß er hier sein soll. Sein Name ist Stanley Dampfer.«
»Stanley!« riefen sie. »Ja! Ja!«
Nun erschien Stanley persönlich – und Grundy war erstaunt. Der Drache war überhaupt nicht mehr klein und süß; in den vergangenen Jahren hatte er sich zu einem stattlichen Monster mittlerer Größe entwickelt. Er sah vollkommen gesund und glücklich aus.
»Stanley!« rief Grundy in Drachensprache. »Oh, was bist du vielleicht gewachsen!«
Der Drache kam auf sie zu und stieß dabei fröhliche Dampfwolken aus. »Du
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