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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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Erholungsgebieten in den Ozarks, nach Hot
Springs oder Nashville war, hier vorbeigekommen, dazu dann noch das ordentliche Touristengeschäft aus der anderen Richtung, aus Arkansas und Mississippi. Die aßen hier in unseren Cafés, übernachteten in unseren Motels, kauften Ansichtskarten, nahmen Schnappschüsse mit nach Hause, wie Tante Sally versuchte, sich durch Fat Man’s Bluff zu zwängen. Dann kam die Autobahn. Ganz zu schweigen von, kurz darauf, den Fluggesellschaften mit Billig-Tickets. Urplötzlich schauen wir uns um und sind nur noch eine Wasserstelle, ein Zwischenstopp zum Tanken. Gibt kaum noch einen Grund, die Stadt offen zu halten, noch viel weniger die Kneipe.«
    »Aber Sie machen’s trotzdem.«
    »Hey, ich mach in einer Minute zu, aber andererseits, was soll ich denn tun? Soll ich mir den lieben langen Tag irgendeine Scheiße im Fernsehen reinziehen, soll ich zu einer beschissenen Plage für meine Nachbarn werden, soll ich in irgend so einem Altenclub abhängen und sabbern lernen?«
    Er holte noch zwei Bier. Die Sammlung wurde größer. Leere Flaschen auf der Theke wie eine Batterie Kanonen, Obelisken, kleine Monumente.
    »Damals, ich noch jung war«, sagte Junie, »gerade erst bei der Polizei und frisch verheiratet. Ich kam nach Hause und fand meine Frau, die einfach nur dasaß und aus dem Fenster starrte. Es dauerte lange, bis ich verstand. Hinterher fragt man sich immer, wie konnte es möglich sein, dass man es nicht mitbekommen hat? Als es dann schließlich so weit war, sah ich lediglich den Schmerz auf ihrem Gesicht, den Schmerz in ihrer Mitte, viel mehr konnte ich nicht sehen.«
    In den nächsten Jahren würde ich einen großen Teil meines
Lebens damit verbringen, neben dem Schmerz anderer Menschen zu sitzen, so wie in dieser Nacht, würde hören, wie er herauskam, stammelte, um sich selbst kreiste, auswich, antäuschte und weglief. Ich würde mich an diesen Augenblick zurückerinnern.
    »Wir waren fast vier Jahre verheiratet, als sie starb«, sagte Junie. »Eines Morgens kam ich nach Hause und fand sie in der Badewanne. Sie hatte sich zurückgelehnt, die Augen geschlossen. Das Wasser war kalt. Sie auch. Seitdem hatte ich eine Schwäche für Junkies.«
    Er stand auf, um ein neues Band einzulegen. Irgendeine frühe Countrymusic, vielleicht Milton Brown, mit dem Stück »Milk Cow Blues«. Eine Weile hatte Brown diesen wirklich umwerfend guten Steelguitar-Spieler Bob Dunn in seiner Band, ein Naturtalent vom Kaliber eines Charlie Christian oder Johnny Smith, der die Steel spielte wie eine Jazz-Posaune. Bei seinen Breaks bekam man eine Gänsehaut.
    Gegen drei Uhr morgens war ich wieder in meinem Zimmer und, da ich nicht schlafen konnte, lag einfach nur da, beobachtete Scheinwerferlicht, das von der Autobahn über die Wand strich, neben mir das leise spielende Radio, beides Botschaften einer größeren Welt dort draußen. Schließlich setzte das Morgengrauen ein. Ich wuchtete mich aus dem Bett, duschte und ging zum Frühstück hinüber in den Diner. Bei meiner Rückkehr befand sich ein Schloss über dem Türknauf meines Zimmers. Sah aus wie eine große Clownsnase.
    Ein junger Rothaariger in einem viel zu kleinen Hemd und einem halben Dutzend zu vielen Tätowierungen schob
Dienst im Büro. Er legte den Kopf schief, als ich hereinkam, drehte den Telefonhörer von seinem Mund weg und sagte, er sei sofort für mich da.
    »Ich komm nicht in mein Zimmer«, sagte ich, als er fertig war.
    »Zwei-null-drei, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Sie müssen bezahlen.«
    »Ich hab tageweise gezahlt, inzwischen seit fast einer Woche. Ich bin erst mittags wieder dran.«
    »Wir reden von gestern, nicht von heute.«
    »Ich hab gegen zehn das Geld vorbeigebracht.«
    »Gibt keine Unterlagen drüber.«
    »Ein kleiner, fetter Bursche, seine Haare sahen aus, als wären sie, ich weiß nicht, seit zehn Jahren nicht mehr gewaschen worden.«
    »Danny.«
    Ich wartete.
    »Danny ist weg. Gestern Abend abgereist.« Er fand das auch nicht wirklich witzig, aber hey. »Mit allem, was in der Kasse war, mal vom Büroradio ganz zu schweigen.«
    »Und meinem Geld.«
    Er zuckte die Achseln. »Vermute, eine Quittung haben Sie wohl nicht.«
    Wie’s der Zufall wollte, hatte ich eine. Im Gefängnis lernt man zu horten, man hält absolut alles fest, was einem in die Finger kommt.
    Rotschopf studierte die Quittung, machte so ziemlich alles damit, außer dran zu schnüffeln, und grunzte schließlich. Ich bezahlte einen weiteren Tag. Er grunzte

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