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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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nicht.«
    »Und was führen die Zigeuner dann im Schilde? Stehlen?«
    »Darauf kannst du einen lassen.«
    »Was wiederum das ist, was jeder von ihnen behauptet, genauso wie die Sache mit den Flüchen. Aber das Stehlen, das stimmt?«
    »Jepp.«
    »Du hast es gesehen?«
    »Eine ganze Familie von denen ist reingekommen, um
Lebensmittel einzukaufen. Anschließend haben Sachen gefehlt.«
    »Welche Sachen denn zum Beispiel?«
    »Ein paar Spielzeuglaster von Tonka, eine Puppe.«
    »Hatte die Familie Kinder dabei?«
    »Natürlich hatten sie.«
    »Als du klein warst, Jay, hast du da vielleicht auch schon mal was eingesteckt, ohne dafür zu bezahlen? Ich meine, Kinder machen das dauernd. Scheiße, ich selbst hab’s getan … Ich sag dir was. Du bringst mir eine Aufstellung der Dinge, die verschwunden sind, dann werde ich mit ihnen reden. Jede Wette, du wirst deine Sachen wieder im Regal stehen haben, bevor der Tag zu Ende gegangen ist.«
    »Also … okay, Lonnie. Wenn du das sagst.«
    »Ich werde vorbeikommen und auf dem Weg die Liste abholen, sagen wir, in einer halben Stunde?«
    »Sie wird fertig sein.«
    »Der Nervenkitzel von Polizeiarbeit ist kaum zu übersehen, was, Turner, hm?«, sagte der Sheriff, nachdem er fort war.
    »O ja.«
    »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich frage, aber was machen Sie eigentlich den lieben langen Tag da draußen am See?«
    »Nicht viel. Und ziemlich genau so hab ich’s mir auch vorgestellt. Lesen, Essen auf dem Herd nach hinten schieben für später, auf der Veranda sitzen.«
    »Nach allem, was ich höre, haben Sie es sich verdient. Den Frieden, meine ich. Tut mir leid, dass wir Sie da rausgeholt und in diese Geschichte mit reingezogen haben.«

    »In gewisser Hinsicht tut’s mir auch leid.«
    Genau das, dachte ich - das war ein Teil dessen, was ich hier so schätzte, ruhig sitzen zu können, keine Angst vor dem Schweigen zu haben.
    »Nur unter uns«, sagte ich nach einer Weile. »Ich bin nicht sicher, ob ich da draußen wirklich gezeigt habe, was in mir steckt, bin nicht sicher, ob ich das je getan hätte. Vielleicht bin ich einfach nur immer weniger geworden.«
    Bates nickte, ließ dann die Stiefel vom Schreibtisch fallen und stand auf.
    »Auf geht’s, gehen wir den King besuchen«, sagte er.

    Der King, der ganze einundzwanzig Jahre alt war, trug ein goldfarbenes Hemd aus den Siebzigern. Der Stoff war mit großen Gemälden bedruckt, der Mona Lisa , einem Rembrandt, einem Monet. Sein Palast war ein ramponierter, verbeulter Airstream-Wohnanhänger, einer von diesen, deren Form an einen Brotlaib erinnert, montiert an einen Ford Pick-up. Der Tee kam in einer klaren Glaskanne auf den Tisch - zumindest hatte sie mal als klare, durchsichtige Kanne angefangen. Was sie aber schon eine ganze Weile nicht mehr war, so wie’s aussah. Ein halbes Dutzend Kinder unterschiedlicher Größe und verschiedenen Alters saßen vor der Wand und sahen fern.
    »Wir haben darüber gesprochen«, sagte er. »Trinken Sie, trinken Sie. Es ist Lammeintopf da, falls Sie Hunger haben. Nein? Ganz bestimmt nicht? Bitte, sagen Sie dem Ladeninhaber, die Artikel werden alle zurückgebracht. Ich
werde heute Nachmittag selbst mit den Kindern in die Stadt kommen und dafür sorgen, dass sich jedes Einzelne bei ihm entschuldigt. Manche werden bestimmt sagen, das liegt ihnen im Blut, das weiß ich. Aber letzten Endes sind es immer noch einfach nur Kinder.« Er schenkte aus der Kanne in eine Tasse ein und trank, wie um zu beweisen, dass es sicher war. »Danke, dass Sie damit zu mir gekommen sind.«
    »Ihr Vater und ich sind immer miteinander ausgekommen, Marek. Meines Wissens hat er nie etwas Unrechtes getan.«
    Der King schaute über die Schulter zu den Kindern, dann aus dem Fenster des Wohnwagens hinaus, wo alte Frauen um einen behelfsmäßigen Tisch herum saßen und Gemüse hackten. »Vielleicht wird irgendwer etwas in der Art auch eines Tages mal über mich sagen.«
    »Nach allem, was ich die letzten paar Jahre gesehen habe, vermute ich, dass man noch erheblich mehr sagen wird.«
    Nachdem wir unseren Tee getrunken hatten, stiegen der Sheriff und ich in den Jeep und fuhren zurück Richtung Stadt.
    »Sie werden sich eine Krawatte für die Cocktailparty des Bürgermeisters besorgen wollen«, sagte Bates nach einer Weile und fügte, als ich darauf nichts erwiderte, dann hinzu: »War natürlich nur ein Spaß. Verdammt, man könnte dort eine Metzgerschürze und Gummistiefel tragen und würde sich sofort wie zu Hause

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