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Turner 02 - Dunkle Vergeltung

Turner 02 - Dunkle Vergeltung

Titel: Turner 02 - Dunkle Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Teerpappe-Hütten dahinter willkommen hieß, sagte: »Dann ist das hier also der Süden.«
    Als wir uns der Stadt näherten, machte ich sie auf die Church of the Ark aufmerksam, ein Wahrzeichen der Gegend. Früher einmal war sie nur eine von vielen Kirchen der Baptistengemeinde gewesen, doch im Jahre 1921, während eines extremen Hochwassers, das den größten Teil der Gegend vernichtet hatte, hatte sich dieses Gebäude wie durch ein Wunder von seiner Verankerung im Boden gelöst und war frei umhergetrieben, was es dem Pastor und seiner Familie ermöglicht hatte,
andere Überlebende an Bord zu nehmen, die sich an Bäume und Hausdächer geklammert hatten. Kurz danach war die First Baptist Church dementsprechend umbenannt worden.

Kapitel Elf
    Sie war dort aufgewachsen, wo immer ihre Mutter im Zuge ihrer nie endenden Jagd nach dem besten Job, besten Haus, besten Klima, den besten Schulen, dem besten Ort zum Leben haltmachte. Nahm den Namen ihres ersten Stiefvaters an, weigerte sich dann entschieden, ihn wieder zu ändern, als andere des Weges kamen. Daher also der Name Burke. Kurz nach ihrem einundzwanzigsten Geburtstag fing sie an, sich J.T. zu nennen. Sie habe sich nie wie eine Sandra gefühlt, erklärte sie. Es stand für nichts, »einfach nur deine Initialen«.
    Mit siebzehn hatte sie die Highschool verlassen und dann zwei Jahre ein Jura-Grundstudium in Iowa City absolviert, wohin ihr Stiefvater des Monats, ein Religionslehrer, gezogen war, um seine Studien den Amish zu widmen. Als sich dieser Haushalt dann auflöste (und kurz darauf die Ehe - »in einer Raststätte am Straßenrand auf dem Weg zu einem neuen Zuhause, so stelle ich’s mir immer vor, er seine Bibel umklammernd, während Mom hinaustritt, um per Anhalter von irgendeinem Trucker mitgenommen zu werden«), blieb sie zurück, schlief bei Freunden, trieb sich in College-Bars herum. »Brachte sämtliche grundlegenden Erfahrungen der Jugend in Rekordzeit hinter mich«, sagte sie, »zwei, drei Monate, und das war’s dann. Bin bei Smalltalk,
Partys, Hobbys und all so was nie auf den Geschmack gekommen.«
    An einem Wochenende war sie dann mit einem Freund nach Chicago gefahren und dort geblieben, nachdem der Freund wieder abgefahren war. Arbeitete als Justizvollzugsbeamtin, was zu einem Job bei Gericht führte und das wiederum zu einer Stelle als Bundes-Marshal. Inzwischen arbeitete sie als Detective in Seattle. Wusste bereits am ersten Tag, dass sie den richtigen Job erwischt hatte, und ging strahlend nach Hause.
    Dann kam der zweite Tag.
    Ein Sechzehnjähriger war spät Abends nach Hause gegangen und tötete dort in aller Ruhe seine ganze Familie. Ertränkte sein kleines Schwesterchen in der Küchenspüle, damit sie den Rest nicht mit ansehen musste, erstickte dann mit einem Spiderman-Kissen den sechsjährigen Bruder, mit dem er sich das Zimmer teilte. Holte den alten Dienstrevolver des Vaters aus einer Schachtel in der Garage, lud ihn mit drei Patronen, die er auf dem Schulhof gekauft hatte (purer Zufall, dass es das richtige Kaliber war), und erschoss beide Eltern in ihrem Bett. Bevor er sich selbst erschoss, setzte er sich an ihr Bett und schrieb sorgfältig, in leicht verschnörkelten Großbuchstaben, einen Abschiedsbrief, nur ein einziges Wort: GENUG.
    Aber so war es nicht, denn der Junge überlebte. Er hieß Brian. Die Kugel hatte seinen Gaumen durchschlagen, alle höheren Hirnfunktionen ausgelöscht, das Stammhirn jedoch intakt gelassen. Er atmete noch, nach
all den Jahren. Und sein Herz schlug weiter. Und man konnte nur hoffen, dass sein Verstand wirklich weg war, dass er nicht irgendwo da drinnen gefangen saß und all das wieder und immer wieder durchleben musste.
    J.T. und ihr neuer Partner, der ungefähr zwei Wochen mehr Erfahrung besaß als sie, trafen unmittelbar nach der Streifenwagenbesatzung am Tatort ein. Nichts kann einen auf so einen Anblick vorbereiten, sagte sie. Oder darauf, was anschließend passierte. Es setzt sich im Kopf fest wie ein Parasit, und es lässt dich nicht mehr los, es frisst einfach immer weiter an dir, ernährt sich von dir.
    Dann schwieg sie eine ganze Weile.
    »Kurz danach quittierte mein Partner den Dienst«, sagte sie. »Warum ich dabeigeblieben bin? Warum bleibt überhaupt jemand dabei?«
    Also erzählte ich ihr ein paar meiner eigenen Geschichten.

Kapitel Zwölf
    Das Schlimmste, was ich jemals gesehen habe?
    Nichts, was ich aus einem Dschungel auf halbem Weg zur anderen Seite der Welt mit nach Hause gebracht

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