Twin Souls - Die Rebellin: Band 2 (German Edition)
einfach.
Polizeisirenen gellten durch die Luft.
Schritte trommelten hinter uns auf dem Asphalt. Wir legten noch einmal an Geschwindigkeit zu, unser Kopf fuhr herum. Es war Cordelia. Ihre Augen leuchteten auf, als sie uns sah. Sie rief, gestikulierte wild, drängte uns, weiterzulaufen. Wo war Lissa? Wo war Vince?
Wir erreichten das Ende der Gasse. Bogen scharf rechts um die Ecke. Krachten beinah in ein Schaufenster. Sahen das Plakat dort hängen.
Ein Plakat mit Jaimes Foto.
Eine verwirrte, atemlose Sekunde lang dachte mein benebelter Verstand: Aber wir haben doch gar keine Zettel mit Jaime drauf gemacht.
Der Foto-Jaime trug die blaue Nornand-Uniform mit dem steifen Kragen und den kurzen Ärmeln. Seine Haare waren dicht und gelockt, nichts von ihnen abrasiert, um seinen Schädel freizulegen. Das Foto war vor dem chirurgischen Eingriff gemacht worden.
Wer hatte die Kontrolle gehabt, als das Foto aufgenommen worden war? Jaime? Oder die andere Seele, die verlorene?
Nicht verloren. Ermordet. Brutal aus seinem Körper herausgeschnitten mit einem blutigen Skalpell.
Die Worte auf dem Plakat drangen endlich zu mir durch. Das Pamphlet hatte mit Addies Flugblättern nicht viel gemeinsam. Es verlangte Jaimes Rückkehr in die Hände der Regierung. Ohne nachzudenken, rissen wir das Plakat von der Scheibe und stopften es in unsere Hosentasche.
Ein Strom fliehender Menschen verschluckte uns. Cordelia packte uns am Arm und zog uns tiefer in die Menge hinein. Wir versuchten, ihr mitzuteilen: Nein, nein, wir können nicht. Bitte nicht. Wir können das nicht … Aber wir brachten kein Wort heraus und sie hörte nicht zu.
Weitere Polizeisirenen. Ein Ellbogen, der uns ins Gesicht gerammt wurde, Schmerz, der in unserem Wangenknochen explodierte. Wir rissen uns aus Cordelias Griff los. Die Menge trennte uns innerhalb von Sekunden. Sie fuhr auf dem Absatz herum, kämpfte gegen die Menge an, um zurück an unsere Seite zu gelangen.
Unsere Füße fanden keinen Halt auf dem Boden. Unsere Sicht verschwamm an den Rändern. Wir waren wieder in den Straßen von Bessimir, in Gefahr, als Fettfleck auf dem Asphalt zu enden. Wir waren wieder sieben Jahre alt, eingeschlossen in einer Truhe mit nichts anderem als Dunkelheit und Hitze und unseren getrockneten Tränen als Gesellschaft.
Wir taumelten zum Bürgersteig. Polizeisirenen dröhnten in unseren Ohren. Wir drehten uns gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie Cordelia über die Straße schoss. Wahrscheinlich war sie furchtbar wütend auf uns. Wahrscheinlich fragte sie sich, was zum Teufel mit uns los war und warum wir nicht einfach bei ihr blieben und taten, was von uns erwartet wurde.
Ein Polizeiauto schlingerte um die Kurve …
… und erfasste sie.
Es erfasste sie. Es bremste schlagartig, aber es erfasste Cordelia, und sie rollte über die Motorhaube und landete auf dem Beton. Einen Moment lag sie still da, den Arm über das Gesicht geworfen, ihre bleichen Haare ein starker Kontrast zur dunklen Straße. Dann rappelte sie sich auf. Rannte humpelnd weiter. Zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war.
Ein Polizist sprang aus dem Wagen. Er rief ihr hinterher, aber der Strom der Menschen hatte Cordelia bereits gänzlich geschluckt. Dann drehte er sich um. Er starrte uns ins Gesicht – mitteninsGesicht, mitteninsGesicht, mitteninsGesicht.
Ein paar Meter und er hätte statt Cordelia vielleicht uns erwischt. Aber in diesem Moment waren wir nur ein weiteres vor Angst und Schrecken wie gelähmtes Gesicht. Seine Aufmerksamkeit nicht wert. Er sprang zurück ins Auto und brüllte Unverständliches in sein Funkgerät.
Wir strauchelten, stolperten, humpelten die Wegstrecke bis zur Robenston. Die Karte, die wir uns eingeprägt hatten, zersplitterte in unserem Kopf. Wir kämpften darum, den Fragmenten einen Sinn abzuringen, während wir uns von Straße zu Straße bewegten, jeden Blickkontakt vermieden und uns vor den Polizeistreifen versteckten, wenn sie an uns vorbeifuhren.
Es waren doch nur Feuerwerkskörper, wollte ich sagen.
Wo war Cordelia? Wir sahen wieder und wieder vor uns, wie das Auto sie anfuhr.
, sagte Addie.
Sie musste einfach.
Ging es Devon und Josie auch gut? Lissa? Vince? Christoph?
Wir hatten in dem Aufruhr unser Funkgerät verloren. Es gab keine Möglichkeit, Kontakt zu ihnen aufzunehmen.
Wir erspähten ein Straßenschild, auf dem Robenston Rd. stand. Vor Erleichterung
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