Twin Souls - Die Verbotene: Band 1
plötzlich auf, dass Lissa auf dem Boden kauern blieb und nur ihr Blick uns nach oben folgte.
»Ich muss los«, wiederholte Addie.
‹Addie …›
Sie schüttelte den Kopf. »Ich muss gehen.«
»Warte.« Lissa sprang auf die Füße.
Unsere Arme flogen hoch, Handflächen nach vorn, und wehrten sie ab. »Tschüss, Hally – Lissa – Hally. Es tut mir leid, aber ich gehe jetzt nach Hause, okay? Ich muss jetzt nach Hause.« Sie wich zurück und geriet auf dem Weg bis zum Ende des Flurs immer wieder ins Stolpern. Lissa machte Anstalten, ihr zu folgen, aber Devon packte sie an der Schulter.
»Devon …«, sagte Lissa.
Er schüttelte den Kopf und wandte sich uns zu. »Verrate es niemandem.« Seine Augen verengten sich. »Versprich es. Schwöre es.«
Unser Hals war trocken.
»Schwöre es«, befahl Devon.
‹Addie›, sagte ich. ‹Addie, geh nicht. Bitte.›
Aber Addie schluckte bloß und nickte. »Ich verspreche es«, flüsterte sie. Dann fuhr sie herum und polterte die Stufen hinunter.
Sie rannte den ganzen Weg nach Hause.
»Addie? Bist du das?«, rief Mom, als wir die Haustür öffneten. Addie antwortete nicht und einen Moment später steckte Mom den Kopf zur Küche hinaus.
Addie zuckte mit den Schultern. Sie putzte unsere Schuhe am Fußabtreter ab, der Rhythmus der wiederholten Bewegung strich die Borsten platt.
»Stimmt etwas nicht?«, sagte Mom, wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und kam zu uns.
»Nein«, sagte Addie. »Alles super. Warum sind Lyle und du noch nicht im Krankenhaus?«
Lyle schlenderte ebenfalls aus der Küche in den Flur, und wir ließen automatisch einen prüfenden Blick über ihn gleiten, suchten seine dünnen Arme und Beine nach blauen Flecken ab. Wir lebten in ständiger Angst, seine blauen Flecken würden sich zu etwas viel Schlimmerem entwickeln. Für Lyle schien das typisch zu sein – eine Lebensmittelvergiftung, die sich zu einem Nierenproblem entwickelt hatte, aus dem widerum ein Nierenversagen geworden war. Er war blass, wie stets, aber davon abgesehen sah es aus, als ginge es ihm gut.
»Es ist nicht mal fünf, Addie«, sagte er, schmiss sich auf den Fußboden und streifte seine Schuhe über. »Wir haben Fernsehen geguckt. Hast du die Nachrichten gesehen?« Er sah hoch, in seiner Miene spiegelte sich eine Mischung aus Besorgnis und Aufregung, Eifer und Furcht. »Im Museum hat es gebrannt! Und unter Wasser stand es auch! Sie haben gesagt, die Leute hätten alle an einem Stromschlag sterben können, so Zzzzzzz …« Er machte sich ganz steif und zuckte vor und zurück, den Todeskampf einer Person mimend, die von einem Stromschlag getroffen worden war. Addie fuhr zusammen. »Sie haben gesagt, es wären Hybride gewesen. Bloß hätten sie sie bis jetzt noch nicht geschnappt …«
»Lyle.« Mom warf ihm einen warnenden Blick zu. »Sei nicht so makaber.«
Uns war eiskalt geworden.
»Was bedeutet makaber?«, fragte Lyle.
Mom wollte gerade ansetzen, es ihm zu erklären, als ihr Blick auf unser Gesicht fiel. »Addie, ist alles in Ordnung mit dir?« Sie runzelte die Stirn. »Was ist mit deiner Bluse passiert?«
»Mir geht es gut«, sagte Addie, Moms Berührung abwehrend. »Mir … mir ist nur gerade klar geworden, dass ich heute noch eine Menge Hausaufgaben erledigen muss.« Die zweite Frage ließ sie gänzlich unbeantwortet. Wir hatten uns solche Sorgen wegen der Bluse gemacht. Jetzt schien es kaum noch eine Rolle zu spielen.
Hybride? Hybride waren für die mutwillige Zerstörung des Museums verantwortlich?
Mom hob eine Augenbraue. »An einem Freitag?«
»Hm«, machte Addie. Auf mich wirkte es nicht so, als sei ihr klar, was sie sagte. Wir sahen beide Mom an, aber ich glaube nicht, dass Addie sie bewusst wahrnahm. »Ich … ich gehe jetzt nach oben.«
»Es sind Reste im Kühlschrank«, rief Mom uns hinterher. »Dad kommt gegen …«
Addie schloss unsere Tür und ließ sich auf das Bett fallen, sie strampelte unsere Schuhe ab und vergrub den Kopf in unseren Armen.
‹Oh, Gott›, flüsterte sie, und es klang fast wie ein Flehen.
Wenn Hybride für den Wassereinbruch und das Feuer im Museum verantwortlich gemacht wurden und wenn diese Hybride noch nicht gefasst worden waren, dann … Ich mochte mir den Wahnsinn, der über unsere Stadt hereinbrechen würde, nicht einmal ansatzweise vorstellen. Er würde uns sicherlich auch hier in den Randbezirken erreichen. Alle würden in Alarmbereitschaft sein, mit blank liegenden Nerven, und nicht zögern, sich gegenseitig
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