Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
Auftraggeber rief mich nach der dritten durchwachten Nacht auf meinem stummgeschalteten Handy an. Ich schlüpfte in den Schrank, aus dem kein Laut nach außen drang, und hockte mich auf den Boden.
»Gibt’s was Neues?«, fragte Ernie.
»Ich muss noch ein paar Dinge überprüfen«, sagte ich und versuchte, mir diese Dinge wieder in Erinnerung zu rufen.
»Sind Sie in einem Tunnel?«, fragte er.
»Nein«, antwortete ich, statt ihm eine plausible Erklärung für die schlechte Tonqualität zu liefern. Ich war einfach nicht in Form.
»Hören Sie, Izzy, ich brauche endlich Klarheit. Verstehen Sie?«
»Aber natürlich, Ernie.«
»Glauben Sie, dass Linda irgendwo noch einen anderen Ehemann hat?«
Schlafmangel hat auf mich etwa die gleiche Wirkung wie ein Schwips. Ernies Frage fand ich zum Brüllen komisch,und so hielt ich das Handymikrofon zu und lachte, bis ich nicht mehr konnte.
Als ich mich ausgelacht hatte, sagte ich: »Wie kommen Sie darauf?«
»Sie haben sich doch unsere Eheurkunde angesehen, und so dachte ich, es könnte damit zusammenhängen.«
»Ziehen Sie bloß keine voreiligen Schlüsse, Ernie. Überlassen Sie das mir.«
»Sie glauben also nicht, dass sie noch irgendwo einen anderen Ehemann hat?«
»Das bezweifle ich stark«, sagte ich.
»Wie können Sie sich da so sicher sein?«
Um Ernie von seiner fixen Idee abzubringen, fragte ich ihn, wie oft er und seine Frau in den vergangenen fünf Jahren getrennt waren. Und seine Antwort bot mir eine Steilvorlage: »Wenn ich es richtig sehe, dann waren Sie und Linda in den letzten fünf Jahren insgesamt vielleicht zehn Stunden getrennt. Wie soll sie da Zeit für einen weiteren Ehemann erübrigt haben?«
»Gute Frage«, räumte Ernie ein.
»Ist in den letzten Tagen irgendetwas vorgefallen, das ich wissen sollte?«, fragte ich.
Einen Augenblick lang hatte es den Anschein, als wäre die Verbindung tot, aber dann meldete er sich wieder zu Wort.
»Linda und ich haben uns vorgestern Abend gestritten«, sagte Ernie widerstrebend.
»Worüber?«, fragte ich.
»Über Socken und Geschirr und solche Sachen.«
»Wie bitte?«
»Sie findet mich unordentlich.«
»Und? Hat sie recht?«
»Kann schon sein«, sagte er.
»Dann räumen Sie eben Ihre Socken weg und spülen ein paar Teller, und schon hört der Streit auf.«
»Mal schauen«, sagte Ernie. »Melden Sie sich bitte, sobald Sie Neues wissen. Allmählich mache ich mir Sorgen.«
Ich wollte Ernie beruhigen. Seine Ängste waren schließlich unbegründet, den bisherigen Ermittlungen nach, die allerdings auch sonst kaum etwas ergeben hatten.
»Ernie, ich könnte fast schwören, dass Sie keinen Nebenbuhler haben.«
»Da fällt mir ja ein Stein vom Herzen«, antwortete er. »Rufen Sie mich an, wenn Sie was Konkretes haben.«
»Mach ich«, sagte ich. Über die ungültige Ehe ließ ich wieder kein Sterbenswort verlauten.
SCHATTEN SEINER SELBST
Ein paar Tage nach Davids Rückkehr beraumte meine Mutter ein Familienessen an – in Davids Haus, das ihr inzwischen so viel wohnlicher erschien als das eigene. Ich drückte mich am Telefon mit der praktischen Ausrede, dass ich just an diesem Abend im Philosopher’s Club Schicht hätte (meine letzte).
Mom reagierte ganz entspannt und sagte vor dem Auflegen: »Dann vielleicht ein anderes Mal.«
Eine Viertelstunde später rief Milo an, um mir zu sagen, dass ich gar nicht mehr anzutreten bräuchte. Die Frage, ob ihn vielleicht meine Mutter dazu bewogen habe, auf meine Dienste zu verzichten, ließ er mit Verweis auf das Aussageverweigerungsrecht unbeantwortet.
Obwohl ich meinen Bruder nun seit Tagen mittels einer Kamera beobachtete, war ich ihm noch nicht persönlich begegnet. Ich wollte warten, bis alle Familienmitglieder eingetrudelt waren, bevor ich mich aus dem Versteck wagte. Die versammelte Mannschaft würde genug Ablenkung schaffen, dass ich unbemerkt blieb.
Die versteckte Kamera zeigte mir die Ankunft meiner Eltern. Ich ließ ihnen zehn Minuten Vorsprung, dann stahl ich mich aus der Geheimwohnung, drückte mich am Haus entlang und hielt nach neugierigen Nachbarn Ausschau, bevor ich schließlich lässig die Stufen zu Davids Eingangstür hinaufging. Ich hatte tagsüber noch kurz mit dem Gedanken gespielt, eine Flasche Wein aus Davids eigenem Vorrat mitzubringen, aber dann fiel mir ein, dass ich mich lieber zurückhalten sollte, wenn ich nicht umgehend aus meiner neuen Bleibe fliegen wollte.
Mein Vater öffnete mir die Tür. Seine Stirn wies weit mehr Sorgenfalten
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