Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
Dr. Sophia Rush lagen bessere Zeitschriften aus als bei Dr. Ira. Außerdem gab es Kaffee und Tee zur Selbstbedienung und einen Springbrunnen zur Entspannung, wobei er weniger zur Entspannung diente als vielmehr dazu, die Therapiegeräusche im Nachbarzimmer zu überdecken. Um das Wartezimmer zu betreten, musste man einen Code eingeben, was ich ziemlich cool fand.
Ich war so darin vertieft, die ersten Unterschiede zwischen beiden Praxen festzustellen, dass sich mein Lampenfieber erst bemerkbar machte, als Dr. Rush auf den Plan trat.
Obwohl ich mir im Vorfeld gar nicht ausgemalt hatte, wie sie möglicherweise aussah, war mein erster Gedanke: Das ist doch nie im Leben Dr. Rush . Den Diplomen nach, die die Wartezimmerwände zierten, musste sie etwa Mitte vierzigsein, aber dann hatte sie sich verdammt gut gehalten. Oder sie war eine Hochstaplerin. Eine dunkelhaarige, sehr attraktive Frau mit italienischer Anmutung, wobei ich das Gefühl hatte, dass sie ihre Attraktivität eher zu verbergen suchte, jedenfalls unternahm sie nichts, um sie hervorzuheben. Sie hatte kein Make-up aufgetragen, höchstens Feuchtigkeitscreme, und war so geschmackvoll wie dezent gekleidet, mit einer schlichten, gutgeschnittenen Hose, einem edlen taillierten T-Shirt mit rundem Halsausschnitt und einer dünnen Strickjacke. Die Gesamtwirkung war betont unauffällig. Das galt auch für die Einrichtung ihres Sprechzimmers. Es war zwar nicht leer, aber es gab nichts, was meinen Blick gefesselt hätte, während ich Dr. Iras vollgestopftes Bücherregal ewig bestaunen konnte und mir dabei überlegte, wann es wohl zusammenkrachen und ob mein Therapeut das überleben würde, wenn er unter den vielen Schwarten begraben lag. Er hätte das Ungetüm wenigstens festschrauben sollen. Immerhin rechneten wir in San Francisco jederzeit mit dem nächsten großen Erdbeben.
Kaum hatte ich Dr. Rushs Sprechzimmer betreten, ging es auch schon los.
[Teiltranskription wie folgt:]
DR. RUSH : Isabel?
ISABEL : Ja.
DR. RUSH : Ich war mir nicht sicher, ob Sie überhaupt erscheinen.
ISABEL : Ich hatte ja keine Wahl.
DR. RUSH : Man hat immer die Wahl.
ISABEL : Ich bin da anderer Meinung. DR. RUSH : Setzen Sie sich doch.Ich setzte mich hin. Vielleicht hatte sie recht. Es gab auch die Möglichkeit, sich nicht zu setzen, aber das wäre irgendwie bescheuert gewesen.
[Lange Pause.]
DR. RUSH : Offenbar sind Sie nicht gern hier.
ISABEL : Ich habe meine Zeit abgesessen. Inzwischen sollte ich frei sein.
DR. RUSH : Empfinden Sie die Therapie als Freiheitsberaubung?
ISABEL : So würde ich das nicht sagen.
DR. RUSH : Wie würden Sie die Folgen Ihres Strafverfahrens charakterisieren?
ISABEL : Mir ist klar, dass das, was ich letztes Jahr getan habe, falsch war.
DR. RUSH : Bitte erzählen Sie mir mit eigenen Worten, was vorgefallen ist. Ich weiß es bisher nur vom Hörensagen.
ISABEL : Das ist schnell getan. Mir kam der neue Nachbar meiner Eltern verdächtig vor, und so habe ich Nachforschungen angestellt, worauf er eine Unterlassungsverfügung gegen mich erwirkte, gegen die ich verstieß, weil ich einfach nicht mit meinen Ermittlungen aufhören konnte. Ich gebe zu, dass man mich zu Recht angeklagt hat, und ich fand die ursprünglichen Bedingungen unserer Verständigung durchaus fair. Aber die habe ich jetzt erfüllt. Drei Monate lang bin ich einmal wöchentlich zu Dr. Ira gegangen, ohne die Sitzung ein einziges Mal zu schwänzen. Und plötzlich werden ganz neue Bedingungen aufgestellt. Wo kommen wir da hin? Was, wenn Sie nach zwölf Sitzungen der Meinung sind, ich sei noch nicht geheilt und brauche zwölf weitere?
DR. RUSH : Ich kann Ihnen jetzt schon garantieren, dass Sie nicht geheilt sein werden.
ISABEL : Na großartig!
DR. RUSH : Ich bin keine Heilerin. Ich bin eher eine Art Fremdenführerin.
ISABEL : Schön und gut, aber was passiert, wenn wir die Führung beendet haben? Fangen Sie mit mir dann eine neue an? Ich habe mal einen Alcatraz-Rundgang mitgemacht. Der hat mir Spaß gemacht. Aber das heißt doch nicht, dass ich ihn jede Woche machen will, und dann auch noch auf unbestimmte Zeit.
DR. RUSH : Interessant, dass Sie eine weitere Gefängnis-Assoziation nennen.
ISABEL : Meine Familie geht nun mal nicht gern ins Museum. Die Auswahl war begrenzt. Ich hätte genauso gut ein Aquarium assoziieren können.
DR. RUSH : Wie wär’s mit einem Deal?
ISABEL : Was für ein Deal?
DR. RUSH : Ich verspreche Ihnen, dass Ihre Therapie nach zwölf Sitzungen beendet ist.
ISABEL :
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