Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
auf als sonst, wobei die Sorge ausnahmsweisenicht mir zu gelten schien. Als ich eintrat, hörte ich, wie meine Mutter David in der Küche befragte.
»Warst du beim Arzt?«
»Ja, gleich nachdem es passiert ist.«
»Warst du auch bei einem amerikanischen Arzt?«
»Ja.«
»Wann?«
»Heute Nachmittag.«
Das war definitiv gelogen. David war den ganzen Tag zu Hause geblieben.
»Wie viel hast du abgenommen?«, fuhr sie fort.
»Beruhige dich, Mom, ich werd’s schon überleben.«
Ich folgte Dad in die Küche, wo ich auch Rae antraf, sie saß auf einem Stuhl und starrte unseren Bruder an wie einen Fremden. Aus unmittelbarer Nähe besehen wurde mir klar, was meine Eltern derart beunruhigte.
Der alte David war – noch vier Wochen zuvor – kerngesund gewesen. Er hätte das Cover jeder Männerzeitschrift zieren können: makellose Haut, perfekte Haltung, wie aus dem Ei gepellt. Während der Mann, der da auf einem Küchenstuhl zusammengesackt saß, aussah, als hätte mein Bruder die letzten vier Wochen auf der Straße gelebt. Erschwerend kam hinzu, dass sein linker Arm bläulich verfärbt war und immer noch in einer Baumwollschlinge steckte.
Der neue David war um rund zehn Kilo abgemagert und schien Kleidung zu tragen, die ihm gar nicht gehörte. Die Jeans hing ihm von der Hüfte, T-Shirt und Pulli warfen Falten. Seine ungekämmten Haare waren schon eine Weile nicht geschnitten worden, und er hatte sich einen Bart stehen lassen, vielleicht, um die fahlen Wangen zu verdecken – oder weil es für einen Linkshänder schwierig ist, sich mit rechts zu rasieren. Kurzum: David sah grauenhaft aus. Meine Mutter sorgte sich zu Recht.
Nachdem ich meinen neuen Bruder in Augenschein genommen hatte, machte ich auch endlich die Klappe auf.
»Müssen ja tolle Ferien gewesen sein.«
»Ist Hallo aus unserem Wortschatz verschwunden?«, fragte David, dem meine Manieren schon immer ein Gräuel gewesen waren.
»Tut mir leid. Herzlich willkommen! Wie wunderbar, dass du wieder unter uns weilst!!«
»Verlogenes Stück«, antwortete David.
»Wie hast du dir den Arm gebrochen?«, fragte ich.
»Er ist von den Vatikanstufen gefallen«, sagte Mom. »Kannst du dir das vorstellen?«
»Nein«, erwiderte ich. »Wie viel hast du abgenommen?«
»Etwa sieben Kilo.«
»In vier Wochen? Wie unfair ist das denn?«
»Ich hatte eine Lebensmittelvergiftung«, erklärte er.
»Was hast du gegessen?«
Diesmal kam die Antwort nicht wie aus der Pistole geschossen.
»Fisch«, sagte er schließlich.
»Was denn für Fisch?«
»Fischsuppe.«
»Sehr gute Antwort. Von Fischsuppe bekommt man bekanntlich leicht eine Lebensmittelvergiftung.«
»Da wir gerade beim Thema sind«, warf Dad ein, »ich sterbe vor Hunger.«
»Ich auch. Ich könnte jetzt eine Familienpackung M&M’s verdrücken«, pflichtete Rae ihm bei.
Während Mom das Abendessen zubereitete, kramten Rae und Dad im Kühlschrank nach einem Appetithappen. David und ich saßen allein im Wohnzimmer und konnten endlich offen sprechen.
»Gratuliere«, sagte ich nach einer bedeutungsschwangeren Pause.
David lächelte. Er freute sich, wenn man seine Leistung zu würdigen wusste. »In welcher Reihenfolge hast du die Beweisstücke gefunden?«
»Erst die Pistole, dann das Kassenbuch und zum Schluss die Drogen. Das mit dem Oregano war besonders einfallsreich.«
»Du hast doch nicht versucht, ihn zu rauchen, oder?«
»Da begeht man einmal eine Jugendsünde und wird Jahrzehnte später immer noch daran erinnert.«
»Ich konnte einfach nicht widerstehen«, sagte David. »Und wann bist du zu dem Schluss gekommen, dass ich spielsüchtig bin?«
»Als diese Pseudo-Schlägertypen vorbeischauten. Alte Golfkumpel?«
»Basketball.«
»Und wo warst du? In Italien warst du meines Wissens nämlich nicht.«
»Willst du mir nicht noch ein paar Fangfragen stellen? Ich gebe dir auch gern etwas mehr Zeit für weitere Internetrecherchen.«
»Im Ernst, David. Du würdest doch nie ohne deinen Boss-Anzug nach Italien fahren. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass er deine große Liebe ist.«
»Wer sagt das?«
»Sei froh, dass ich mir jeglichen Kommentar zu deinem Klamottenfetischismus verkneife.«
Rae kam mit einer Schale Minibrezeln ins Wohnzimmer und setzte sich zwischen David und mich auf die Couch. Da ich unsere kleine Schwester nicht in meine Ermittlungen hineinziehen wollte, ließ ich das Thema fallen. Nicht so David.
»Es gibt nur einen Menschen, der meine Garderobe gut genug kennt, um zu sehen, ob etwas
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