Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)
So genau richtig.
Und wenn sie nicht da war … anfangs war er immer ganz
enthusiastisch, arbeitete ein paar Stunden voll konzentriert, dann regte sich
die Unruhe wieder. Er sah aus dem Fenster und überlegte, wann sie wohl
wiederkommen mochte. Wollte mit ihr reden. Dann fing er an, herumzugehen. Nach
Spuren von ihr im Wagen zu suchen. Zu warten. Sich zu fragen, ob sie überhaupt
wiederkommen würde.
Seit sie in Krai waren, hatte er kaum geschlafen. Er
hatte gearbeitet und gewartet, und wenn er es nicht mehr aushielt, dann war er am
Strand entlanggewandert. Bevor er den Wagen verließ, hängte er immer einen
Zettel an die Tür mit dem Hinweis, wo er zu finden war – damit sie bloß nicht
einfach wieder ging.
Arbeit hatte er genug. Nachdem er dem Ladenbesitzer –
einem dürren, misstrauischen alten Graico – seine Standuhr nicht nur repariert,
sondern revolutioniert hatte, kamen sie alle mit irgendwas an. Uhren in den verschiedensten
Größen. Geldkassetten mit faszinierenden Geheimmechanismen. Wagenbremsen. Sogar
Zaumzeug und anderes Pferdegeschirr, das er sonst nur selten zu sehen bekam.
Eins der Mädchen aus dem Blütentau , das ihn mehrmals beim Bau des
Bärenrades gesehen hatte, wollte so ein Rad für sich selbst – in größer,
versteht sich. Eine gute Idee, fand er, aber hier würde er sie nicht mehr
verwirklichen. Er musste jetzt wirklich nach Orchrai.
„Komm, Kate!“, flüsterte er drängend in die drückende
Septemberluft.
Der Wind war heute so schwach, dass man sich fragte,
wie sich der Dirloh überhaupt in der Luft halten konnte. Umso angenehmer würde
es am Strand sein. Er hatte da eine Stelle gefunden, die wie geschaffen war für
ein Picknick und eine wichtige Frage.
Ja, es war alles bereit. Er selbst auch. Er hatte
seine Klamotten im Waschhaus reinigen lassen. Er hatte sich ein neues Hemd
gekauft. Weil er wusste, dass sie – man fragte am besten gar nicht nach den
Gründen, Frauen waren da unbegreiflich – seine komische Haut und sein
auffallendes Haar mochte, hatte er den halben Morgen im Badehaus verbracht.
Obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre, weil man hier ja jederzeit im Meer
schwimmen konnte – aber dieses eine Mal würde er einem von Gabriels Ratschlägen
folgen, der da lautete: Wenn du ein wichtiges Anliegen hast, dann mach das
Beste aus deinen Vorzügen!
Sein Haar war also gewaschen und gebürstet (die lang
verschwundene Bürste war gestern im Zuge der Aufräumaktion in den Tiefen einer
seiner Tonnen wieder zum Vorschein gekommen), und am Ende hatte er auch noch
die perlmuttfarbene Spange hervorgekramt, die Gabriel ihm aufgeschwatzt hatte.
Er hatte sich sogar rasieren lassen.
Jetzt musste sie nur noch endlich erscheinen. Vom Land
her zog eine dünne Wolkenschicht heran, und aus unerfindlichen Gründen gehörte
Sonne zu der Szene, die er sich ausgemalt hatte. Zumindest zu dem Teil, in dem
er sie fragte. Später, wenn sie im Wagen waren, durfte es gern regnen.
Die revolutionierte Uhr drüben beim Laden schlug drei
dünne Glockentöne – es war viertel vor zwei. Das reichte! Länger konnte er
einfach nicht mehr warten. Er stieg vom Wagendach, schnappte sich seinen Hut
und den Korb mit dem Essen aus der Fahrerkabine und machte sich selbst auf den
Weg.
4.
Pix hatte keinen Appetit auf Frühstück, aber sie
nutzte die Gelegenheit, dem Trara im Ulgullen-Wagen zu entkommen und einen
Blick auf Halfast zu werfen. Der aß auch nichts. Er saß bei den anderen Jungs –
in Gedanken fing sie auch schon an, die Typen jukannai zu nennen, es
wurde echt Zeit, dass sie von hier wegkam! – qualmte wie üblich und trank
Kaffee. Die tranken seit Gassapondra dauernd Kaffee, worüber sich Jakobe jedes
Mal wieder aufregte. Aber scheiß auf Jakobe jetzt. Jetzt wollte sie einfach
dasitzen und ihn ansehen, ohne dass es irgendwer merkte. Das war besser als
alles andere. Besser als essen, fernsehen, Musik hören. Einfach nur dasitzen
und fühlen, wie jede seiner Bewegungen ein Echo in ihr auslöste und winzige
prickelnde Funken in die tiefsten Tiefen ihres Körpers aussandte. Einmal
lächelte er sogar, natürlich nicht zu ihr, aber sie musste wegsehen, weil das
Echo diesmal so wild war, dass sie einen Moment gar nicht mehr atmen konnte. Dann
rief Jakobe, und sie musste weiter drinnen im Wagen bei Fuß stehen.
Es dauerte ewig, bis die endlich in die Hufe kamen.
Dieses Laklam-Zeug war wohl ein Hochzeitsbrauch, denn es kamen noch mindestens
drei andere Frauen, die Orla einen Becher davon andrehen
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