Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)
wollten. Sie wäre
stockbesoffen gewesen, wenn sie das alles getrunken hätte. Wobei ihr das nur
Recht hätte sein können, fand Pix, denn es folgte noch eine endlose Reihe von
ermüdenden und zum Teil demütigenden Ritualen, die alle mit Waschen, Frisieren
und Anziehen zu tun hatten. Dieser bridalle -Schleier musste nach ganz bestimmten
Vorschriften angelegt werden und der Blumenkranz samt Blumenschleier darüber
drapiert; selbst für die gottverdammten Strümpfe gab es irgendwelche Regeln,
die zu befolgen waren. Und das Ganze hatte doch nur den einen Zweck, dass nämlich
Gordien der Molch später jede Menge auszupacken hatte. Demütigend , wie
gesagt.
Und irgendwie einschüchternd. Dreckige Sprüche
abzulassen und die schockierten Mienen ihrer Eltern oder Lehrer zu genießen,
das war was ganz anderes als das hier. Hier bei dieser Hochzeit und diesen
ganzen Vorbereitungen, da ging es letztlich auch nur um das Eine, und jeder
wusste das: dass nämlich am Ende die Braut erfolgreich ins Bett geschleift und
geschwängert wurde. Keiner sagte es deutlich, jedenfalls nicht hier bei den
Frauen, aber jeder zweite Satz war eine Anspielung. Hinter jeder harmlosen
Bemerkung stand diese Erwartung, lugte hervor wie ein feister alter Sack, der
einem zuzwinkert und sich dabei sabbernd die Lippen leckt. Zuerst kam ihr das
nur lächerlich vor – wie konnte man so ein Theater um Sex machen? Zuhause
machten sie es sozusagen im Vorbeigehen (na gut, sie selbst vielleicht nicht,
wer wollte schon einen fetten Freak, und wie auch immer, sie hätte sowieso
jedem eins auf die Fresse gegeben, der sie schief ansah), aber wenn man den
Mädels an der Mary Clemency glauben durfte, dann trieben die es ständig mit
ihren Typen. Und ihre einzige Sorge dabei war, bloß nicht schwanger zu werden.
Vor diesem Hintergrund hatte das Getue hier doch echt was von Comedy, oder?
Aber nach und nach bekam es was Beängstigendes. Ihr
wurde auf einmal klar, dass dieser Kerl Orla von heute an ganz in seinen Händen
hatte. Der konnte mit ihr machen, was er wollte! Dieser ganze Firlefanz hier,
der diente nur dazu, diese Tatsache ein bisschen in rosa Rüschen zu verpacken.
Von der Hochzeit an gehörte Orla diesem Gordien. Ihre Aufgabe war es, seine
Kinder zu kriegen, möglichst bald und möglichst viele. Wie es aussah, hatte sie
nicht mal das Recht, nein danke zu sagen, wenn ihr mal nicht danach war. Mann,
ob Halfast auch so war? Ob er überhaupt anders sein konnte, wenn die hier nun
mal so drauf waren?!
Sie sah durchs Fenster, und Nella winkte ihr zu. Da
draußen versammelten die sich jetzt alle und warteten. Sie hatten sich in
Schale geschmissen, trugen alle das Blau-Schwarz-Silber, Weste und Hüte und
Bänder, so wie sie sonst in die Städte einzogen. Quatschten und lachten. Sandrou
schmiss immer wieder kleine Baumzapfen an den Wagen, obwohl Aruza ihn deshalb
schon angebrüllt hatte.
Und Orla war endlich fertig. Jedes Häkchen am Kleid
war zu. Alle Schleier waren übergezogen – ob die überhaupt noch was sah? Von
ihrem Gesicht war jedenfalls nichts mehr zu sehen. Sie stand ganz still in der Mitte
des Wagens, während ihre Mutter noch an ihr herumzupfte. Ihre Arme hingen
reglos herunter – ein Brautstrauß gehörte hier anscheinend nicht dazu. Die
langen Trompetenärmel des Kleides fielen bis weit über die Hände, sie waren mit
dem komischen, ringbesetzten Spitzendings an ihren Fingern befestigt. Es war
total still im Wagen.
Dann hörte man von draußen Geklimper näherkommen.
Durchs Fenster sah sie Leith Brennaghann, den Udd-Spieler, und alle Montagus
drehten die Köpfe zu ihm um. Es war das Zeichen zum Aufbruch. Jakobe öffnete
die Tür und ging als Erste hinaus, dann folgte Odette und schließlich Orla, und
die Leute klatschten und riefen.
Sie hastete hinterher und wäre beinahe in die anderen
hineingerannt, die wieder stehenblieben, weil ein hutzliger Mann in demselben
Rotbraun, das auch Odette und Orla trugen, hinter den großen Montagus
hervortrat und Odette begrüßte. Sein Gesicht bestand vor allem aus einem
riesigen, hängenden, grauen Schnauzbart, und auf beiden Seiten seiner Weste
prangte eine in Gold gestickte Rose. Er empfing Odette mit einer Umarmung. Der
Chef kam dazu, und da war Odette schon am Heulen.
„Du verstehst das, Nicholas, ja?“, hörte man sie
jammern. „Wir sind ja nie richtig zum Stern übergewechselt … ich bin dir
ewig dankbar für alles … aber an diesem Tag sind wir Valinds!“
„Aber klar, Odette! Weiß ich doch!
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