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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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eine Anlegestelle an einem breiten Fluss mitten
im Wald. Im Lauf der folgenden Tage erfuhr James, dass die Tyggen genau das
waren: Flussstationen, kleine Orte, die um die Anlegestellen für Fähren und
Boote herum entstanden waren, Knotenpunkte zwischen dem Wald und dem Rest der
Welt, vor allem, seit auch die großen Flussdampfer die Strecke von Parrot’s
Fork bis Aube befuhren. In einem Tygg gab es – vom Hafen mal abgesehen – immer einen
Laden, der von der Unterhose bis zum Fischerboot einfach alles verkaufte, eine
von Taubengurren erfüllte Poststation, an deren Wänden die wichtigsten
Zeitungsmeldungen der letzten Tage (oder auch Wochen) aushingen, ein Gasthaus,
einen Custodian und eine Arrestzelle. Meistens gab es auch eine billigere
Kaschemme, ein Bordell und schließlich auch ein paar Häuschen mit permanenten
Bewohnern. Ein durchziehender Peregrini-Trupp wurde als erfreuliche Abwechslung
begrüßt, der Hakemi, kaum dass man sein Schild gelesen hatte, umlagert.
    James behandelte wieder einmal alte Wunden, die von
Bissen, Unfällen und Schlägereien stammten, schiente gebrochene Gliedmaßen,
verordnete Kräutertee und Umschläge gegen Bronchitis und rheumatische
Beschwerden und musste sich angesichts der Folgen jahrelangen Quin-Genusses
geschlagen geben. Dann waren da noch die bis aufs Skelett abgemagerten Leute,
die ohne Dach über dem Kopf am Flussufer zu leben schienen und hin und wieder
benommen über die Wege des Tygg geisterten. Sie waren Opfer eines Pilzes, der
gekaut oder geraucht wurde, und auch für sie konnte man nichts tun. Aber sie
kamen ohnehin nicht zum Hakemi.
    Von Halan Tyggen führte ihr Weg sie weiter nach Tygg
Barren, wo sie eine ziemlich misslungene Vorstellung gaben. Keiner von ihnen
war wirklich bei der Sache, und dann ließ John mitten in seiner Jongleurnummer
die Hände sinken, wartete nicht einmal den Schauer der herunterprasselnden bunt
bemalten Hölzer ab, sondern ging einfach in seinen Wagen. Zum Glück blieb das
eine Ausnahme. Am übernächsten Abend in Tygge Tumroil lief wieder alles glatt,
jedenfalls, wenn man von Mapoosa absah, die ihr Dreirad ins Publikum schob und dann
zu verschwinden versuchte.
    Die jahrelange Gewohnheit sorgte dafür, dass alles
seinen üblichen Gang ging; jeder wusste, was er zu tun hatte, jeder Handgriff
war vertraut. Mit den Leuten vor Ort zu sprechen, über Lagererlaubnis und
Einkäufe zu verhandeln, eine Vorstellung zu geben – das brachte sie dem Leben
zurück. Über die klaffende Lücke, die der Tod in ihre Gemeinschaft gerissen
hatte, über die Fassungslosigkeit, in der er sie zurückgelassen hatte, schob
sich der Alltag wie schützendes Narbengewebe. Der Chef, der die Truppe sonst
mit seiner unbeirrbaren Führung zusammenhielt, erinnerte sie allerdings am
fünften Abend daran, wie dünn diese frische Haut über der Wunde noch war.
    Sie rasteten bei Tygge Raun, die Vorstellung war
vorbei, und die Frauen begannen mit der Zubereitung des Abendessens. Zwischen
den Bäumen sah man die Lichter des Ortes aufflammen, und die Heerscharen von
Vögeln, die am Tag über dem Akbarnen kreisten, suchten sich ihre Schlafplätze
in den ufernahen Bäumen. Mit der Dämmerung kam stets eine feuchte Kälte über
die Tyggen, und der Stern von Montagu rückte an den Kochfeuern zusammen.
Der Chef kehrte aus dem Ort zurück und wedelte mit einem Stück Papier. Die
anderen schienen schon darauf gewartet zu haben.
    „In zehn Tagen sollen wir in Aube sein“, begann
Montagu ohne Einleitung. „In diesem Brief teilt uns der Präfekt mit, dass man
dieses Jahr den Warric zu sehen wünscht. Und das bedeutet, dass wir noch
heute mit den Proben anfangen müssen. Wir haben’s lang nicht mehr gespielt.“
    „Passt ja auch nicht gerade gut“, murmelte Lowell.
„Warum wollen die jetzt ein Stück über das Dunkle Zeitalter sehen?“
    „Nun ja – Warric steht für die Hoffnung, dass
entschlossene Männer auch ein verheertes Land wiederaufbauen können. Vielleicht
deshalb. Und bekanntlich rechnen die Gascoignes Warric von Strath zu ihren
Vorfahren.“
    „Sehr entfernte Vorfahren, wenn man mich
fragt“, brummte Brogue.
    „Wie auch immer, wir haben keine Wahl. Reden wir nicht
länger rum. Wer’s nötig hat, der sieht sich jetzt noch mal seinen Text an!
Horgest, Lowell, und John, du auch – ihr habt da auf jeden Fall was
aufzufrischen. Und die anderen –“
    „Chef – Chef, aber was machen wir denn mit – ähm, mit
Duboskin de LaFarraque?“, platzte Juniper heraus.

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