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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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ein längliches, ochsenblutfarbenes
Lederetui. Er nahm es und löste den schmalen Riemen, der es verschloss.
    „Was hältst du davon?“ Firn, neben ihm, immer noch
hustend, in einer schweren Winterjacke, Kapuze und Kragen mit Fell besetzt.
James schüttelte den Kopf, aber da hatte Firn die Jacke schon vergessen.
    „Was hast du da? Oh brakka ! Das ist nicht
einfach ein Rasiermesser, Mann! Siehst du diese feinen Marmorierungen auf der
Klinge? Das ist Rubenike-Stahl! Angeblich kann man damit ebenso gut ein Haar in
der Luft wie das Bein eines Ochsen durchschneiden … ich gäb was für so ein Messer!
Aber das werd ich mir nie leisten können –“
    Es war einer von den Momenten, in denen die Welt sich
mit überscharfen Konturen in seine Augen, sein Gedächtnis brennen wollte: Das
harte Aufblinken der Klinge im Dämmerlicht dieses Zimmers, und die jähe,
überraschende Begehrlichkeit, die er sogar noch Firns langen, mit Kaninchenblut
befleckten Fingern ansehen konnte, als sie nach dem Messer greifen wollten. Selten,
dass Firn etwas so sehr haben wollte.
    „Lass es“, sagte er, und seine Stimme klang harsch und
brüchig, immer noch fremd in seinen Ohren. Er wollte dieses Messer nicht in
Firns Händen sehen. „Auch die Jacke da – lass das.“
    Firn starrte ihn an und kniff die Augen zu schmalen
Schlitzen zusammen. „Was passt dir nicht, Mann? Wir haben den Kram gefunden. Du
sagst selbst, dass niemand hier ist. Vermutlich lebt der Besitzer seit
Ewigkeiten nicht mehr. Warum also nicht?“
    James klappte das Lederetui zu. Abgründe öffneten sich
unter diesen Dingen – dem Messer, der Jacke, dem Boden dieses Zimmers. Wie
sollte er sie erklären, wenn Firn sie nicht spürte?
    „Also gut. Das ist wohl dein Spiel hier. Ich warte
dann draußen.“ Firn war wütend. Er ließ die Jacke einfach auf den Boden fallen
und verließ den Raum. James hörte ihn die Treppe hinuntertrampeln, während er
die zweite Schublade öffnete. Sie enthielt Unterwäsche und Socken.
    In der untersten Schublade waren Mützen und Schals,
und dahinter eine Schatulle aus poliertem schwarzem Stein, bei deren Anblick er
unwillkürlich aufseufzte. Er nahm sie heraus. Der Deckel ließ sich einfach
aufklappen. Das Innere war mit nachtblauer Seide ausgekleidet. Darauf lag das
Haar wie dunkles Gold. Vielleicht achtzig Zentimeter lang, zur Hälfte
geflochten, das lose Ende in einer langen Welle um die Flechte gelegt. Zwei
dünne weiße Seidenbänder hielten das Haar zusammen.
    Eine ganze Ewigkeit lang starrte er reglos darauf
hinunter und kämpfte mit dem Verlangen, es zu berühren. Dann stellte er den
Kasten auf der Kommode ab, ohne den Deckel zu schließen. Er nahm die Mappe
wieder an sich und ging ins Schlafzimmer hinüber, vielleicht vor allem, um
nicht länger auf Amelia Birchiters Haar sehen zu müssen.
    Nebenan drang das Licht grünlich gefiltert durch die
dichten Aubeliondranken vor dem Fenster hinein. Ein kleines Zimmer: ein Kamin,
eine Bank, ein Speer mit einer gläsernen Spitze an der Wand. Und das Feldbett
mit der grauen Decke. Er blieb davor stehen, überrollt, außerstande, die Zusammenhänge
zu begreifen. Dann fand er sich auf dem rauen Gewebe wieder, ohne sich erinnern
zu können, dass er sich gesetzt hatte. Seine Finger glitten über die kratzige
Decke, als versuchten sie, noch eine Spur von der zu finden, die hier gelegen
hatte. Schließlich riss er sich zusammen und hob die Mappe auf, die zu Boden
gefallen war. Auf die kam es an.
    Nur wenige Papiere waren darin. Eine Bleistiftstudie
zu dem Gemälde unten in der Halle. Ihm war es gelungen, das Gefunkel
selbst in diesen Grautönen zum Leben zu erwecken. Daneben die Skizze von etwas,
das wie ein Brunnen aussah, aus dem von unten lange Zähne heraufragten, mit dem
handschriftlichen Vermerk: „Schlund von Bograsta?“ Der Name des Wendokarn, den
er in dem blaugrünen Gefunkel vermutete? Er faltete das Blatt zusammen und
steckte es in seine Hemdtasche. Seine Finger wollten sich kaum beugen lassen.
    Außer diesem Blatt waren noch drei eng beschriebene Papiere
in der Mappe. Sie trugen die Spuren alter Knicke, als seien sie einmal
zusammengeknüllt und dann sorgfältig wieder geglättet worden. Das oberste war
ein Bogen aus festerem Papier und trug in der linken Ecke eine leicht erhabene
Prägung, ein Herrenhaus mit Hecken darum, das Skelett eines Irrgartens.
Darunter war der Name Cordelia Francine Pennebrygg, Wokenduna Hall in
feinen kalligrafischen Buchstaben aufgedruckt. Die beiden anderen

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