Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
Vom Netzwerk:
langen, ganz
wissenschaftlich unternommenen und aufgezeichneten Beobachtungen zu dem
Schluss, dass dieser Ort das Tor zu einer anderen Welt sein müsste. Die Vögel
verhielten sich seltsam dort, meinte er, und er hat auch oft genug welche angebracht,
die sich verletzt hatten, weil sie gegen die Turmmauer geflogen waren.
    Jetzt saß er also da, lächelte mich an und fragte, ob
ich mich noch an die Vögel erinnerte. Er fragte mich nicht, ob ich mich an
seinen Sturz oder an das Medusamädchen erinnerte – vielleicht erinnert er sich
selbst nicht.
    Wir saßen eine ganze Weile schweigend dort, es war das
erste Mal, dass er so ein Schweigen zuließ, seit er zurück ist. Mir stieg das
Unbehagen immer höher die Kehle hinauf. Etwas ist mit ihm geschehen, das weiß ich
ganz sicher, ich konnte es fühlen in diesen Minuten. Und dann fragte er ganz
unvermittelt und nebenbei, so, wie er gestern auch von Anne gesprochen hat:
„Glaubst du nicht auch, dass es noch andere Welten gibt als diese? Kann man das
an Orten wie diesen nicht geradezu spüren?“
    Charlotte, ich habe solche Angst! Aber es muss heraus,
es muss einmal geschrieben, wenn schon nicht ausgesprochen werden. Was, wenn er
seinem Leben ein Ende setzen will? Ich weiß, wie das klingt, wenn er doch so
heiter und unbefangen scheint. Aber ich fühle doch, dass er eine Veränderung
anstrebt, dass er sich innerlich von all dem hier, dem Krieg, Wokenduna, seiner
Verlobten, seinen Zukunftsplänen entfernt hat.
    Was soll ich nur tun? Im Moment ist er in seinem
Atelier drüben am Ende des Gartens, Du weißt schon, wo er früher sein
Tierkrankenhaus hatte, bis er anfing zu malen. Da hat er wohl auch in den
letzten Tagen schon einige Zeit verbracht, und ich wollte ihn nicht stören.
Aber wenn er nachher“
     
    An dieser Stelle brach der Brief ab. Als sei die
Schreiberin unterbrochen worden und hätte ihn danach nicht wiederaufnehmen
wollen.
    James vergrub die Hand im Haar über seiner Stirn,
wobei er wusste, dass er das genauso getan hatte, der andere, der,
dessen Spiegelbild er zu sein schien. Die Briefbögen segelten auf das staubige
Bett, das hier auf ihn gewartet hatte wie das ganze staubige Haus. Vor seinen
Augen tauchte eine Filmszene auf, in der schlagartig all das gerann, was er in
diesem Moment empfand: Der unglückselige Astronaut, den es ganz allein ans
andere Ende der Galaxie – oder wohin auch immer – verschlagen hat, wo er in
einem unbegreiflichen, täuschend echten Abbild einer menschlichen Behausung auf
ebenso unbegreifliche Weise einem Abbild von sich selbst begegnet. Im ersten
Moment fühlte sich die Erinnerung an Odyssee im Weltraum – einen von
Sams Lieblingsfilmen, den sie sich mehr als einmal angesehen hatten – noch wie ein
Schutz an, der die Wucht dessen abmilderte, was da auf ihn hereinstürzen
wollte. Das Autopilot-Programm, so viel begriff er, hatte jedenfalls gerade den
Geist aufgegeben.
    Er saß da und schüttelte den Kopf. Starrte auf seine
Hände, als seien sie es gewesen, die dieses Messer dort drüben geführt hatten.
Wollte das alles von sich schieben – denn wie konnte das sein? Was für ein
Irrwitz: Hier zu sitzen, in diesem spinnwebverhangenen Haus in einem Wald im
Nirgendwo, und diesen Brief zu lesen, aus einer anderen Zeit zwar, aber doch
verfasst an einem Ort, den er kannte, in einer Vergangenheit, von der er gehört
hatte, in einer Welt, die ihm vertrauter war als alles, was ihn hier umgab –
    Das Gefühl der Entfremdung, des Unechten wurde so
erstickend, dass er aufsprang, die Tür aufreißen wollte. Als er die Klinke
nicht zu fassen bekam, schrie er los.
    „Firn! Firn !“ Er hörte sich an wie ein Irrer,
aber selbst das war besser als die Stille, und er brüllte gleich noch mal. Der
Türgriff wollte sich einfach nicht fassen lassen – seine Hände zitterten – es
war, als versuche man die Klinke auf einem Foto zu packen.
    „ Firn !“, brüllte er und hämmerte mit beiden
Fäusten gegen die Tür des Schlafzimmers, taumelte zurück mit dem Gefühl, dass
ihm die Augen aus dem Kopf quollen und das Gehirn gleich hinterher.
    Es musste alarmierend genug geklungen haben, denn
jetzt hörte er über dem Rauschen in seinen Ohren schnelle Schritte, dann flog
die Tür auf, und Firn war da, ein Messer stoßbereit zwischen den Fingern.
    „Oh Mann – oh Scheiße !“, keuchte James.
„Firn, Gott sei Dank! Oh Mann, was für eine – oh verflucht –“
    Firn brachte den scharfen grünen Geruch des Aubelionds
mit herein und den nach

Weitere Kostenlose Bücher