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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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verteilt, Stücke, die
einmal ein Ganzes gewesen waren: das Gesicht eines anderen Lebens. Er hatte es
nicht früher erkannt, weil es gar nicht fremd, weil es immer in ihm gewesen war
… das waren seine Träume, seine Ängste gewesen! Die
Kinderalbträume, der weiße Hund, der Laternenbaum, das blonde Mädchen! Er hatte
es erst als etwas Fremdes empfunden, als der andere ihm hier mit eigenem Namen,
eigener Geschichte begegnet war. Und diese Geschichte – die barg Abgründe, an
die er nicht einmal rühren wollte. Aber sogar über diese Abgründe hinweg konnte
er ihn fühlen; tief in den Schichten des James-Lebens verborgen war er, dieser
andere, der nach einem langen Winterschlaf der Seele James Barrett geworden
war.
    Kein Forlorner. Aber das Ungeheuer in der Tiefe, das
war wirklich da. Und etwas in ihm hatte das doch auch immer geahnt! Wenn er
jetzt da raufging und sich lang genug durch Aubreys Krempel wühlte – dann würde
er sich an alles erinnern. Und ich muss ihm wohl auch noch ähnlich sehen!, ging
es ihm auf. Dieser Larkish war auf der richtigen Spur – ha, aber so eine
Erklärung würd dem im Traum nicht einfallen!
    Das glucksende Lachen stieg schon wieder in ihm auf.
Firn, der sich zwischen den hohen Gräsern ausgestreckt hatte, wandte den Kopf
und sah ihn alarmiert an.
    Und der Kerl auf dem Markt!, fiel es James ein. Der
mit seiner Fragerei – wer immer das war, der wusste auch was darüber!
Vielleicht wollen die mich hier noch zur Rechenschaft ziehen für Aubreys
Scheiß!
    Aber wenn er nur ein Spiegelbild war, eine Art
Neuauflage, ein zweiter Versuch … was war denn dann überhaupt noch seins? Wenn
er sich sogar in Karen vielleicht nur wegen ihres Haars verliebt hatte, weil
das dunkel an die alte Besessenheit rührte, die einen anderen, einen vorigen durchs Leben getrieben hatte – was blieb dann noch übrig von James Barrett?
    Wenn Firn gewusst hätte, wie Recht er hatte mit diesen
Fäden, an denen sie alle hingen! Und wie schrecklich es war, wenn man sie
plötzlich wirklich vor sich sah! Wenn man entdeckte, dass das, was man für
seine eigenen Entscheidungen gehalten hatte, nur die Zuckungen waren, die
irgendein anderes, irgendein Etwas dirigierte!
    Seine Finger zerbröselten mürbe Halme, zerrieben
fedrige Grasblütenstände. Er fühlte die Sonne auf der Haut, das Ziepen auf dem
Arm, wo ihn vorhin eine Dornenranke blutig gekratzt hatte. Er hatte Hunger.
    Ich bin doch wirklich!, dachte er verzweifelt. Ich bin
James Barrett! Wie sollte ich ein anderer sein?!
    Aber wie Cordelia Francine Pennebrygg geschrieben
hatte: Was wissen wir schon über die Seele? Wenn es sie gibt, dachte er, und
wenn sie den Körper überlebt – dann wissen wir nichts .
    Sehn wir es wie den finalen Durchbruch nach sechs
Jahren Psychoanalyse, dachte er dann zynisch. Wenn man endlich kapiert, warum
alles so war, wie es war. Solang ich nicht dieses Messer da oben einstecke, um
sein Werk fortzusetzen … Das ist ein Geheimnis, das nur hier in diesem Haus
noch lebt. Ich sperr es hier ein. Ich bin James Barrett, ich habe niemals
getötet und habe das auch nicht vor. Ich bin ein Hakemi, der sich Mühe gibt. Ich
schließe die Tür da hinter mir für immer und kehre nie zurück.
    „Hörst du das?“ Firn setzte sich auf und lauschte.
„Das ist Triv!“
    Erst jetzt drang das Hundebellen in James’
Bewusstsein.
    Firn sprang auf. „Die suchen uns! Ist auch verdammt an
der Zeit! Wir sind mindestens seit zwei Stunden weg. Los, auf jetzt! Denk
unterwegs weiter! Wenn Triv die Kaninchen da draußen findet, kannst du das
Abendessen vergessen!“
    War es das, sein Leben? Das James-Leben: Mit diesen
Leuten umherzuziehen, bis er fand, was Aubrey nicht gefunden hatte?
    „Los, kupadanni ! Wach endlich auf!“ Jetzt
versetzte Firn ihm doch noch den Tritt, den er vorhin schon von ihm erwartet
hatte. „Hast du die Sprache verloren, Mann? Komm endlich! Ich hab die beiden
Karnickel da draußen vor der Hecke liegenlassen – Triv ist bestimmt gleich da!“
    James stand auf und sah sich um – die Tür war zu. Das
Gaublergesteck mit dem Kapunn-Blatt lag jetzt neben ihm auf der Stufe. Und als
Firn ihm nun noch in den Rücken hieb, tat das weh genug, um die Zweifel an seinem
eigenen Wirklichsein fürs Erste zu zerstreuen. Er stolperte hinter ihm her,
durch den Tunnel aus Aubeliondhecken und das urwaldähnliche Gestrüpp, bis sie
wieder vor der dunklen Wand der Eiben standen.
    „Kannst du dir vorstellen, ein Mörder zu sein, ohne es
zu wissen?“,

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