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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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frischem Menschenschweiß – nichts hätte jetzt
willkommener sein können.
    „Was ist denn los?“ Firn versuchte immer noch, die
Gefahr zu erkennen und einzuschätzen – aber da war ja nichts, nichts
Gefährlicheres als ein staubiges Zimmer. Er packte James am Arm. „Was ist? Bist
du verletzt?“
    James schüttelte den Kopf. In diesem Moment hätte er
sich am liebsten an ihn geklammert wie ein kleines Kind, um die Wirklichkeit zu
fühlen, einen echten, lebendigen Menschen. Stattdessen lehnte er sich an die
Wand und versuchte, sich wieder einzukriegen. Es gab bestimmt eine Erklärung.
Und selbst wenn nicht, dann konnte er ja immer noch einfach von hier weggehen
und so tun, als hätte er es nie gesehen!
    „Alles klar“, brachte er heraus. „Hab mich nur erschreckt
–“
    Wie Aubrey!, dachte er. Wie Aubrey, bevor er vom
Glockenturm fiel!
    Er raffte die Briefbögen auf und stopfte sie in seine
Gürteltasche. Dann hastete er an Firn vorbei ins Ankleidezimmer und schlug den
Deckel der Schatulle zu, bevor Firn sehen konnte, was darin lag wie in einem
Sarg. Und dann zurück damit in die Schublade, tief hinter Mützen und Schals.
Erst danach, als er sich wieder aufrichtete, entdeckte er, was an der Wand über
der Kommode hing. Vorhin war er so auf die Schubladen fixiert gewesen, dass ihm
die Zeichnung entgangen sein musste.
    Es war nur eine Bleistiftzeichnung, in beinahe
flüchtigen Strichen ausgeführt: Ein Mädchen, das die Stufen einer nur
angedeuteten, gewundenen Treppe hinauflief. Die nackten Füße sahen aus als
tanzten sie, der Saum des hellen Kleides flog um die Waden. Vom Gesicht, das
sich über die Schulter hinweg dem Betrachter zuwandte, war nur der Rand eines
mutwilligen Lächelns zu erahnen – alles andere blieb verborgen in dem, was als
einziges kräftig herausgearbeitet war: das lange, schwingende, fliegende Haar,
das noch in den Kohlepartikeln auf dem Papier zu leben schien. Erst bei genauem
Hinsehen entdeckte man, dass das, was wie Blüten oder Schmuck aussah hier und
da in den Strähnen, in Wirklichkeit lebendige Schlangenköpfchen waren.
    Die Zeichnung fing die Vision, die er damals auf dem
Japentobaum gehabt hatte, ganz genau ein. Und sie bestätigte alles, was er
gefürchtet hatte. Das Messer war natürlich immer in Aubreys Nähe gewesen, einfach
weil es Aubreys Messer war. Weil Aubrey das Monster mit den gelben Augen war.
Aubrey war das Monster mit dem tränenüberströmten Gesicht und der Toten im Arm.
    Hinter ihm fragte Firn mit hörbarer Überwindung: „Das
Messer … ich kann’s ganz sicher nicht haben?“
    „Nein!“
    „Na gut! Ich hab’s kapiert! Du hast’s gefunden,
schon gut! Also, warum wolltest du nun unbedingt hier rein, hä? Du benimmst
dich wie ein Verrückter, weißt du das? Auch draußen schon. Und das hier, Mann –
erzähl mir nichts! Du machst dir fast in die Hose vor Angst!“ Firns helle Augen
ließen ihn nicht los. „Irgendwelche Gespenster gesehen?“
    „Vielleicht“, erwiderte er erschöpft.
    „Dann hab ich was gefunden, was dazu passt. Komm mit
raus.“
    Weil James sich nicht schnell genug in Bewegung
setzte, wurde er am Arm mitgezogen. Draußen – oh draußen, es gab ein Draußen,
und da war das Nachmittagssonnenlicht, warm und ein bisschen diesig, alles so,
als wäre gar nichts passiert, da keckerte einer der Nerv-Vögel über dem Dach
und –
    Hinter dem Haus war es schattig und kühler, und das Pfefferminzaroma
des Aubelionds war vermischt mit einem anderen, erdnahen, unangenehmen Geruch,
den er sich wahrscheinlich mehr einbildete als tatsächlich wahrnahm.
    „Hier, hast du das schon gesehen?“ Firn blieb stehen
und zeigte auf den Boden. „Ist vielleicht ’ne Warnung.“
    Von Farnwedeln umgeben waren da gelbliche Buckel zu
sehen. Es war eine große Platte, zu einer Schädelaufsicht skulptiert, die noch
deutlich erkennbar war.
    „Da steht sogar was drunter, aber ich kenn die Sprache
nicht.“
    „Ist doch nicht so wichtig.“
    „Halt, das war noch nicht alles. Siehst du die Stelle
da, wo der Putz bröckelt?“
    „Firn, Mann, ich will jetzt nicht –“
    „Pass auf!“ Mit dem Messerrücken schabte Firn
vorsichtig über einen der Buckel und legte eine ockerfarbene Wölbung frei, die
dunkler war als der Putz. Sie sah auch nicht nach Stein aus, dazu war sie zu
glatt, zu fein.
    James hatte endgültig genug. Er musste nicht noch mehr
sehen.
    „Warte! Weißt du, was das ist?“
    Aber er war schon auf dem Rückweg, um das Haus herum,
dahin zurück, wo

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