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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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Könnens gaben, gerade genug, um die
Leute neugierig auf mehr zu machen – Werbung für die Vorstellung am Abend. Unglaublich,
wie total Carmino in der Truppe aufgegangen war. Anscheinend hatte er
vergessen, dass er gar nicht hierher gehörte. Ob es nur eine Frage der Zeit
ist, bis es mir genauso geht?, fragte er sich. Verbringe ich nicht jetzt schon
die meiste Zeit mit Montagu-Angelegenheiten? Hätte ich mich nicht auf diese
Stadt stürzen und im Rathaus, in den Läden, in jeder Custodian-Station nach
London fragen müssen? Nach Gorth Britaine, nach England? Hätte ich nicht nach
Verkehrsverbindungen suchen müssen? Nach Erklärungen? Stattdessen spiele ich
den Hakemi –
    Ja, weil’s irgendwann blöd wird, am Offensichtlichen
zu zweifeln! Und Zeitverschwendung ist es außerdem. Was ich brauche, ist Geld
und die Pelektá!
    Mitten im Streit mit sich selbst entdeckte er die
Konkurrenz. Giorgios Batalaikos, „der Größte Hakemi von Kairope“, praktizierte
in einem gestreiften Rundzelt und hatte eine Assistentin, die mit lauter
Bassstimme seine Fähigkeiten und Verdienste anpries. Auch hier standen die
Leute an, und er sah sogar ein oder zwei, die er vorhin selbst behandelt hatte.
Er kaufte sich ein Zitronenwasser an einem Getränkestand und ein großes,
weiches Fladenbrot, das das Schweinefett in seinem Magen aufsaugen sollte, und
setzte sich dann gegenüber dem Hakemi-Zelt auf die niedrige Einfassungsmauer
eines Wasserbeckens, wo schon mehrere Leute mit ihren Bierhumpen saßen. Eine
Weile beobachtete er den Betrieb bei Batalaikos, überlegte, ob er ihn selbst
aufsuchen sollte – nur um zu sehen, wie ein richtiger Hakemi die Sache anging –
aber dann verschob er das auf später. Hier war der richtige Ort. Jetzt oder
nie!
    Er nahm einen von Inglewings Papierbögen und einen
weichen Grusstift aus seiner Tasche und fing ziemlich nervös an, das kleine
Mädchen zu zeichnen, das mit seiner Mutter vor dem Zelt warten musste. Ein
Holzbrett, das er aus der Requisitentruhe im Gilwissler entliehen hatte, diente
ihm dabei als Unterlage.
    Es dauerte nicht lange, bis der Erste neben ihm
stehenblieb und zusah. Eine Viertelstunde später hatte er die Zeichnung – kaum
mehr als eine Skizze – an die Mutter des Mädchens verkauft und zeichnete nun
eine junge Frau, der irgendjemand einen Hocker besorgt hatte, sodass sie ihm
richtig Modell sitzen konnte. Sie war eine der reicheren Städterinnen, und der
Mann, der das Porträt in Auftrag gab, erzählte ihm, dass sie ganz frisch
verheiratet waren. Sie hatte seltsame Augen, die James faszinierten, einen
verschlingenden Blick, der immer wieder hervorbrach, wenn sie glaubte, dass
niemand es bemerkte. Die Anwesenheit dieses vornehmen Paares lockte noch andere
feine Herrschaften herbei. Sie standen um ihn und sein Opfer herum und sahen
zu, wie nach und nach ihr Gesicht auf dem Papier entstand. Er hütete sich,
ihren Augen den verheimlichten Ausdruck zu geben, sondern beließ es bei dem
Strahlen, das ihr Mann zweifellos in ihnen sehen wollte.
    Er schlug sich tapfer, aber ihm war deutlich bewusst,
dass er auch hierbei ein Hochstapler war. Er schaffte es gerade eben, ein
halbwegs ähnliches Porträt hinzubekommen, und pfuschte sich mit einer Menge
verschwommener Linien und Schatten über seine wenig ausgebildeten Fähigkeiten
hinweg. Allerdings bemerkte er im Lauf dieses Nachmittages, wie er besser
wurde; es war, als erinnerte er sich nach und nach einer Fähigkeit, die lange
brachgelegen hatte. Wie immer, wenn er in den letzten Tagen gezeichnet hatte,
bemerkte er auch jetzt wieder, wie ihn die Konzentration darauf für die Formen
und Farben und vor allem für die Gefühle um ihn herum sensibilisierte. Er
konnte sie fast spüren: misstrauische und zutrauliche, überhebliche, naive,
spöttische oder gierige Blicke, strahlende oder kühle, aggressive oder
desinteressierte Augen – sie alle ruhten auf seiner zeichnenden Hand. Der Mann,
dessen Frau er gezeichnet hatte, wollte seinen Namen wissen, und als er ihn
nannte, ahnte er nicht, dass James, der Maler schon abends ein Begriff
auf dem Markt sein würde.
    Schließlich musste er aber doch zu seinen
Hakemi-Pflichten zurückkehren. Mit einem Triumphgefühl warf er fünf weitere
Kelvernen in seinen Krug. Es hatte geklappt! Er hatte eine zweite Geldquelle
angestochen!
     
    4.
    Die Vorstellung war vorbei. Am Ende des Tages hatte er
wieder einmal routiniert als Messerdummy an der Scheibe gestanden und auch damit
noch ein paar Chaval gemacht.

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