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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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irgendein Wiedererkennen gegangen? Der
arme James … diese Sache mit den Köpfen … wusste er selbst, ob er auf den
Spuren des Opfers oder auf denen des Mörders wandelte?
    Er musste tatsächlich ein Nachkomme dieses Pennebrygg
sein und auf irgendeine seltsame Art und Weise von dessen Erlebnissen
angetrieben werden. Vielleicht gab es eine logische Erklärung dafür, wenn man
mehr über James wusste, über seine Vergangenheit? Auf jeden Fall hatte es – zu
diesem Zeitpunkt und ohne weitere Informationen – nicht viel Sinn, länger
darüber nachzudenken.
    Das Entscheidende war, dass de Braose den Tatsachen
gefährlich nahekam: Immerhin war James wirklich überzeugt davon, dass er mit
Hilfe von Pennebrygg in Ligissila irgendeinen Schatz finden würde. Sie hatte
das unangenehme Gefühl, dass sie bei aller Vagheit doch zu viel über James’
Pläne verraten hatte. Es war wohl nötig, de Braose von seiner Vorstellung von
dem Trüffelschwein wieder ein bisschen abzubringen. Aber das musste man
vorsichtig angehen, nicht zu schnell, nicht zu interessiert …
    Ihre Gedanken gerieten ins Taumeln, nicht nur, weil
sie müde war, sondern auch, weil sich auf einmal die Erinnerung an die Nacht in
diesem Orolo-Gasthaus hartnäckig in den Vordergrund schieben wollte. Damals
hatte sich alles noch so schön wie ein Spiel angefühlt – war noch weit weg
gewesen von dem hellen Nachmittag am Strand von Krai und Dorians Tränen.
    Vom Zimmer nebenan hörte man jetzt tiefes Schnarchen.
Und draußen schrie ein Nachtvogel und erinnerte sie daran, dass sie sich mitten
in einem schier endlosen Wald befand.
     
    6.
    Das Gehen machte alles leichter. Selbst die
drängendsten Gedanken gaben irgendwann Ruhe, wenn man nur lang genug ging, sie
verloren an Kontur, verblassten schließlich. Die Ferne nahm einen auf.
    Und ein solches Terrain zum Gehen hatte sie noch nie
gehabt. Tagelang menschenleere Wildnis – schon das Fehlen aller Geräusche der
Zivilisation veränderte den Rhythmus von Denken und Fühlen. Sie vergaß beinahe,
dass sie eigentlich nach Ghist wollte, dass de Braose vermutlich immer noch auf
der Fährte der Montagus war, und selbst an die Wüsten Rotten dachte sie kaum.
Die Nächte unter freiem Himmel waren das, wovon sie schon als Kind in ihrem
Kinderzimmer eine Ahnung gehabt haben musste. Inzwischen hatte sie heraus, wie
man für den Schlafsack ein wärmendes Lager aus Laub, Farnen und Moos
herrichtete. Da lag sie dann nachts wie ein Tier in seinem Nest und sah den
Bewegungen der Äste vor dem wechselhaften Nachthimmel zu, lauschte auf das
Knarren, Ächzen, Knacken, Rascheln und Wispern, das sie umgab wie die Geräusche
eines Wesens mit Bewusstsein, sah zwischen jäh aufreißenden, weißlichen
Nachtwolken die Abgründe eines anderen Ozeans, der voller Sterne war und tiefer
als alles, was man sich als Mensch auch nur vorstellen konnte. Und wie eine
tiefe Stimme lag unter all dem das Rauschen der Ferne, das gleichermaßen
tröstliche wie aufregende Versprechen, dass es immer weiter ging – ins
Unbekannte vielleicht, aber auch dort würde noch diese vertraute Stimme von
grenzenloser Weite, von Freiheit sprechen.
    Was der Tag erforderte, erledigten de Braose und sie
jetzt wie ein eingespieltes Team, ohne dass viele Worte nötig waren. Dabei
entstand zwischen ihnen fast so etwas wie ein Vertrauensverhältnis. Manchmal
vergaß sie, dass sie hier eine Rolle spielte, so selten musste sie den leicht
vulgären Tonfall produzieren, den er von ihr erwartete (und der darüber hinaus
kaschierte, dass ihr längst noch nicht alle Feinheiten des hiesigen Englisch
vertraut waren). Dass er sie gern spüren ließ, wie vollkommen er sie in der
Hand hatte, das kam einer Neigung in ihr entgegen, die sie bisher mehr geahnt
als ausgelebt hatte. Sie wusste, dass sie Glück hatte, weil er keiner von den
rohen Drecksäcken war, wie sie ihr auch schon begegnet waren. Er wusste ganz
genau, wo die schwankende Grenze zwischen Härte und echter Gewalttätigkeit
jeweils verlief. Und genommen, nicht gefragt zu werden, das enthob sie der
Verantwortung für sich selbst. Ihm gegenüber musste sie weder Gefühle zeigen,
noch welche empfinden, sie musste sich ihm nur überlassen. Dann fühlte sie sich
leicht, ohne Eigengewicht, wie ein Baum, der sich dem Sturm beugt. Es war gut.
Dabei verlor sich die Erinnerung an Dorians harsche Süße allmählich aus ihren
Sinnen. Und das war auch gut.
     
    7.
    Es regnete. Die Baumkronen über ihnen waren noch so
dicht belaubt, dass

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