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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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selten vor, dass
du einfach nur so herumsitzt“, bemerkte er, denn jemand musste mal mit Haminta
reden. Seit Krai hatte er sie nicht wieder auf dem Seil trainieren sehen. Bei
der Probe vorhin war sie nach zwei unsicheren Schritten abgesprungen.
    „Man kann die Athalais auch ohne Seil spielen“, erwiderte
sie. „Damit muss sich der Chef eben abfinden.“
    Der Chef war nicht entzückt gewesen.
    „Bestimmt geht’s auch ohne das Seil. Aber du musst wieder
trainieren. Du warst so gut!“
    „Ich kann nicht. Ich muss immer an ihn denken, wenn
ich aufs Seil gehe. Er hat schon auf der Geige dazu gespielt, als wir noch
Kinder waren. Es ist immer, als könnte ich das noch hören. Die Geige, meine
ich.“
    „Wenigstens ist ihm Nilke erspart geblieben“, meinte
James mit einem vorsichtigen Lächeln. Er gab sich einen Ruck und legte seinen
Arm um sie und zog sie dicht zu sich heran.
    „Ja. Das stimmt –“ Aber sie lächelte nicht. Mit dem
Löffel zeichnete sie Muster in ihren Essnapf. „Sag du mir – gibt es irgendwas,
womit man darüber wegkommt?“, fragte sie schließlich. „Ich kann’s einfach nicht
ertragen, an ihn zu denken. Dass er so – so allein war. Dass wir ihn alle
alleingelassen haben. Dass keiner gemerkt hat, wie es ihm wirklich geht! Wie
soll man denn damit weiterleben?!“
    „Er wusste bestimmt, dass wir alle dagewesen wären für
ihn“, erwiderte James. „Er hat geschwiegen. Er hat sich – verstellt. Er wollte
keine Hilfe. Wenn man das mal von seiner Seite aus sieht … er wusste doch, dass
wir ihn alle gern hatten. Dass er Freunde hatte. Manchmal – manchmal, da kann
man einfach nicht helfen, glaub ich. Er wollte gehen. Es war blöd von ihm,
Verschwendung, da hat Firn ganz Recht, es war verdammte Verschwendung! Aber er
wollte es nun mal. Was können wir da schon anderes tun, als ihn gehen lassen?“
    Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, wie seine
Mutter zu sagen pflegte. Man musste sich damit abfinden, letztlich. Genau wie
mit Bäumen, die plötzlich im Weg standen.
    Sie hatte ihn die ganze Zeit mit bangen Augen
angesehen. Um die Härte seiner Worte abzumildern, streichelte er ihre Schulter.
Jetzt seufzte sie und senkte den Kopf. „Glaubst du, es geht ihm besser, da, wo
er jetzt ist? Oder glaubst du, dass er einfach – nicht mehr ist? Ganz weg ist,
meine ich?“
    „Ich glaub, dass niemand jemals ganz weg ist“, sprach
er voller Überzeugung etwas aus, das er vor vier Tagen noch bestritten hätte. „Wo
er ist und wie – das kann keiner wissen. Auf jeden Fall würde er wollen, dass
du weitermachst auf dem Seil! Das hätte er nicht gewollt, dass du jetzt wegen
ihm aufhörst!“
    Aber in Kauf genommen hatte er es natürlich. Das, und
dass sein Vater wieder Drogen nahm und seine Mutter und sein Bruder in stumpfer
Schwermut versanken. All das hatte er letztlich in Kauf genommen, als er da
nachts auf seiner Klippe gesessen hatte. So war das wohl, in der letzten
Konsequenz. Da war man allein. Da verengte sich die Welt wohl ganz auf einen
selbst, in diesen letzten Momenten. Und wer konnte einem anderen das vorwerfen,
wenn er nicht selbst auf dieser Kante gesessen hatte?
    Haminta lehnte ihren Kopf gegen ihn, sodass die
Holznadel, mit der ihr Haarknoten festgesteckt war, in seinen Arm piekte. „Ich
muss jetzt drüben helfen. Sehen wir uns nachher noch?“
    Er nickte. Gestern hatten Haminta und er bei jedem
Essen zusammengesessen, und während er fuhr, war sie die meiste Zeit neben
seinem Galiziak hergegangen. Abends hatte Jakobe versucht, John und Raween auf
das Verhalten ihrer Tochter anzusprechen – im Ton reinster Besorgnis natürlich,
so, wie sie ihre Hetzereien meistens anfing. John hatte daraufhin laut und für
jeden vernehmlich erklärt, dass er nie mehr versuchen würde, sich in das Leben
seiner Kinder einzumischen.
    „Dann bis nachher, James. Bis nach der Probe.“
    Wie tröstlich, dass er für sie einfach James war! Schon deshalb war er dankbar für ihre Nähe. Und er vermisste Halfast auch.
Er hatte ihn nicht lange genug gekannt, dass sein Tod einen solchen Krater in
sein Leben hätte reißen können wie Adrians Tod. Aber er fehlte immer wieder.
Abends spürte man es am deutlichsten, wenn sie zu viert am Feuer
zusammenhockten oder drinnen im Gilwisselwagen Karten spielten, er, Carmino,
Juniper und Firn. Horgest nicht, der lag immer nur auf seiner Pritsche und
wollte mit keinem etwas zu tun haben. Er lag nur da und rauchte – jetzt viel
mehr als früher, als wollte er das seinem

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