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Typisch Mädchen

Typisch Mädchen

Titel: Typisch Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Grabrucker
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weibliche Vergangenheit vorenthalten. Ich reagierte aber nicht aufgrund meines abrufbereiten Wissens über Göttinnen, sondern aus Trotz und mit schlechtem Gewissen.
    Nächster Tag: Wir frühstücken, und Anneli erzählt vom  Herumschmieren mit dem Essen auf dem Tisch. Sie betont,  daß Felix das mache. Ich erkläre ihr, daß Felix kleiner sei als  sie, fast noch wie ein Baby (er ist knapp zwei Monate jünger),  und daß er deshalb noch nicht ordentlich essen könne wie sie.
    Sie sagt daraufhin: »Aber der Felix ist größer als ich und der  Schorschi (einen Monat jünger) auch!«
    Ich: »Nein, die sind beide kleiner als du.«
    Sie: »Nein, das sind Buben, und Buben sind immer größer als  ich.«
    Ich bin ziemlich schockiert, von dieser Feststellung, denn bei Anneli ist Größersein mit »Können« und »Dürfen« verbunden. Ich hake nach und frage, wer das denn gesagt habe. Sie antwortet: »Barbara«, die Mutter von Felix. Ich glaube es nicht bzw. kann es mir nur so vorstellen, daß irgendwann in einem Gespräch »unter Müttern« die Feststellung fiel, daß Buben immer größer - gemeint waren Zentimeter - seien, und Anneli hat es aufgeschnappt und interpretiert es natürlich gleich entsprechend ihrem Lebenshorizont. Wieder eines dieser ominösen »atmosphärischen« Erlebnisse, die den Buben vor den Mädchen einen Vorsprung geben und Mädchen Respekt vor dem Männlichen beibringen, den lebenslang wirkenden, schleichenden Inferioritätskomplex der Frauen bewirken. Auch Anneli hat ihr Teil davon schon abbekommen, wie sich aus ihren Feststellungen ableiten läßt. Nachmittags sitzt sie auf dem Klo und plappert vor sich hin: »Schorschi ist ein Bua, und ich bin ein Madl.« Ich frage: »Was ist der Papa?« Sie: » Ein Bua.« Ich: »Was ist die Mama?« Sie: »Ein Bua.« Ich lache.
    Als sie ins Wohnzimmer geht, sagt sie: »Alle sind ein Bua, bloß ich bin ein Madl.«
    Mir scheint, hier hat sie Hierarchie verinnerlicht, das letzte in der Stufenleiter ist immer das Madl, alle anderen sind Buam.
    Der Puppe malt sie nachmittags eigens einen Busen, und Klaus will sie abends auch einen Busen auf die Brust malen. Busen ist wahnsinnig wichtig.
    Sie schlägt im Garten mit ihrem Holzhammer Nägel in die Hauswand. Dabei hat sie große Freude und wird von mir kräftig unterstützt. Dann sagt sie ganz befriedigt: »Wie der Papi.«
    Ich bin stinksauer, weil ich mir einbilde, im Haus vor ihrer Nase schon genug Nägel eingeschlagen zu haben. Aber offenbar waren es nicht genug - oder es war nicht demonstrativ genug.
10. Februar 1984 (2Jahre, 6 Monate)
    Schorschi und Anneli spielen vormittags mit Babypuppen. Anneli hält die Puppe im Arm, wiegt sie und singt ihr ein Lied vor. Dabei steht sie an der Terrassentür und hält »ihr Baby« in die Sonne. Es ist ein herziger Anblick und genau die Situation, in der ich sie oft stundenlang hielt. Ich schmelze dahin.
    Nachmittags und abends bin ich nicht mit ihr zusammen. Als ich nach Hause komme und wir beim Abendessen sitzen, will ich ihr etwas besonders Liebes tun. Ich habe ganz spontan die Idee, ihr meine alte, kleine Schildkrötpuppe zu schenken, die so ähnlich aussieht wie die Babypuppe von heute vormittag, damit sie mit ihr ebenso nett Baby spielen kann. Gleichzeitig fällt mir ein, daß ich eigentlich das Puppenspielen über die großmütterlichen Impulse hinaus nicht noch zusätzlich bei ihr fördern wollte. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen und gebe ihr die Puppe. Sie ist ganz begeistert davon, und wir spielen jetzt gemeinsam mit der Babypuppe. Ist das nicht die typische Mädchenerziehung, dargestellt in Untersuchungen und Statistiken? Schorschi spielte vormittags genauso nett mit seinen Puppen, aber niemand schenkte ihm daraufhin extra eine »neue« Puppe als sein Baby, und niemand spielte deshalb mit ihm zusammen mit der Puppe.
    Anneli und ich besuchen eine Kinderbuchausstellung. Die Bibliothekarin kommt auf uns zu und empfiehlt als besonders nett die Bücher von Janosch. Ich reagiere nicht darauf, da ich die Bücher für sexistisch halte, sage aber auch nichts zu ihr. Ich sehe mir die ausgestellten Bücher an. Zwei Bücher über Berufe fallen mir besonders auf, die alle übrigen an versteckter Diskriminierung übertreffen. Eines davon zeigt im Titelbild ein großes Haus, nach vorne offen, das den Kindern Einblick in verschiedene Zimmer gewährt. Und was ist wohl zu sehen? Es sind acht verschiedene Männer in lauter Büro-»Männerberufen« gezeigt. Frauen tauchen beim

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