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Typisch Mädchen

Typisch Mädchen

Titel: Typisch Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Grabrucker
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Gesäßtasche ihrer Hosen. Klar! So einfach ist das. Frau muß nur so genau hinschauen wie kleine Mädchen.
8. Juli 1984 (2Jahre, 11 Monate)
    Freud hatte in seinen Spekulationen darüber, wie der Mensch (= Mann) wohl das Feuer erfunden habe, gefolgert, dies sei das Ergebnis einer instinktiven Entsagung des Wunsches, das Feuer durch Urinieren auszulöschen. Die Frau konnte es nicht erfinden, weil es ihr an einem für weitgezieltes Urinieren hinreichenden Organ fehlte. 47
    Anneli bewies mir allerdings das Gegenteil. Sie entwickelt in den letzten Wochen eine große Geschicklichkeit, gemeinsam mit Martin im Stehen zu pinkeln. Was die Treffsicherheit und Weite ihres Strahls angeht, gibt es keinen Unterschied zu Martin. Sie versteht es, mit ihren Fingern die Schamlippen so zu drücken, daß sie damit genau die Richtung des Strahls bestimmen kann. Und vor der Toilettenschüssel haben beide gleich großes Glück oder Pech, wieviel in die Schüssel kommt und wieviel nicht, Martin versuchte jedenfalls nicht mehr, bei Anneli Neid auf seinen kleinen Schwanz zu erregen. . Dagegen stellt sich bei Martin im Lauf der Zeit immer wieder die Frage, wieso er keinen Busen und kein Baby bekommen könne, Anneli aber schon. Er wölbt seinen Brustkorb weit nach vorn, deutet auf seine Rippen und versichert, daß das sein Busen sei, daß er doch einen habe.
9. Juli 1984 (2Jahre, 11 Monate)
    Wir inspizieren die Scheune und andere Nebengebäude eines Hofes. Der Traktor fasziniert Anneli und Martin am meisten. Beide sitzen auf und spielen Bauer. Ich sage zu Anneli: »Jetzt bist du der Bauer.«
    Wieso sage ich eigentlich nicht »die Bäuerin«? Es gibt doch genug Bäuerinnen, die ebenso wie ihre Männer Traktor fahren.
    Auch ich falle weit hinter die Wirklichkeit zurück und lebe in der konservativen Bilderbuchgeschichten-Welt, wenn ich mit den Kindern rede.
10. Juli 1984 (2Jahre, 11 Monate)
    Anneli und Schorschi sehen sich nach langer Zeit wieder, und beide sind überglücklich. Sie spielen wilde Spiele, wobei einer auf den anderen brüllend zugeht und sie sich boxen. Es ist ein Spiel aus Spaß am Raufen, und beide messen ihre gleichen Kräfte.
    Da geht die 18jährige Cousine von Schorschi, die zufällig zu Besuch ist, auf Anneli zu, nimmt sie aus dem Spiel heraus auf ihren Arm und sagt zu ihr: »Hauen und boxen tut man aber nicht.«
    Schorschi steht unangesprochen daneben und hört sich an, wie Anneli belehrt wird, daß sie dasselbe, was er auch getan hat, nicht tun dürfe.
    Abends wirft Anneli mit einem schönen Bilderbuch im Zimmer herum. Es ist bei uns üblich, Bücher pfleglich zu behandeln. Als ich sie darauf aufmerksam mache, daß es mir nicht gefällt, wie sie mit dem Buch umgeht, bekomme ich zur Antwort: »Ja, aber die Buben dürfen das, und ich bin ein Bub.«
11. Juli 1984 (2Jahre, 11 Monate)
    Ich mache mir Gedanken darüber, warum ich eigentlich Anneli gegenüber bei Verfälschungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit zugunsten von Frauen immer Skrupel habe. Mich plagen Gedanken an Lüge und mangelnde Fairneß, es widerspricht meinem Gerechtigkeitsgefühl, die andere Gruppe von Menschen, »die Männer«, so leichthin zu übergehen. Ich schlage mich intensiv mit diesem Problem herum und möchte meine Schuldgefühle gerne loswerden. Wie geht es denn den vielen Kinderbuchautoren, die - wie bereits erzählt - ganze Scharen berufstätiger Frauen in bestimmten Berufen übergehen? Wie geht es den Männern, die immer nur die männliche Bezeichnung wählen, auch wenn sie Frauen meinen? Ob die sich wohl auch so plagen, wenn sie ihren Kindern stets nur vom Herrn Doktor usw. erzählen? Ich glaub es nicht und lege meine Skrupel ab.
13. Juli 1984 (2Jahre, 11 Monate)
    Ich schicke Anneli auf die Straße, um zu sehen, wann Klaus nach Hause kommt. Sie kommt schneller, als ich dachte, zurück und erzählt von großen Buben, die sie angespuckt und ausgelacht hätten. Zuerst halte ich dies für eine Phantasieerzählung von ihr, doch als Klaus dann kommt, bestätigt er, daß einige zehn- oder zwölfjährige Buben draußen auf dem Weg seien, die sich mit Anneli wohl einen Spaß erlaubt hätten. Es entspricht also der Wahrheit. Ich sage daraufhin zu Anneli, sie solle sofort rausgehen und ordentlich zurückschimpfen.
    Anneli schlägt vor: »Du Sau« oder ähnliches. Ich stimme zu und schlage vor zu sagen: »Haut's doch ab, ihr seid's blöd.«
    Mutter und Tochter sind sich einig. Anneli will sich auf den Weg machen, da greift Klaus ein. Er ermahnt mich, nicht

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