Typisch Mädchen
nehmen diesen Zeitpunkt der Entstehung des Privateigentums als Beginn der Unterdrückung und Versklavung der Frau. »Die Geltung des Mutterrechts bedeutete Kommunismus, Gleichheit aller; das Aufkommen des Vaterrechts bedeutete Herrschaft des Privateigentums und zugleich Unterdrückung und Knechtung der Frau.« 33 Aus dieser Analyse glauben die Sozialisten, mit der Abschaffung des Privateigentums dann automatisch auch die Befreiung der Frau herbeiführen zu können. Für sie gilt es also in erster Linie, den Kampf gegen die ökonomische Unterdrückung zu führen.
Diese Schlußfolgerung stimmt nicht. Marx, Engels und Bebel gingen in der Analyse der geschichtlichen Entwicklung weiblicher Unterdrückung von mehreren Prämissen eines männlich bestimmten Weltbildes aus. Sie waren nicht in der Lage, über das Bild von der Beschaffenheit der Frau im ausgehenden 19. Jahrhundert hinauszudenken. Insoweit verließen die Denker des historischen Materialismus ihren eigenen methodischen Ansatz. Es fällt auf, daß sie bei ihrem Versuch, eine Erklärung für die Unterdrückung der Frau zu finden, in vier aufeinanderfolgenden und einander historisch bedingenden Punkten von Kategorien ausgingen, die sie nicht auf ihre historische und materialistische Entstehung untersuchten, sondern einfach als von der Natur aus gegeben hinnahmen oder als einzige historische Wirklichkeit und Möglichkeit unterstellten:
1. Die nach Marx »zufällige« oder »naturwüchsige« oder nach »Bedürfnissen« entstandene Arbeitsteilung zwischen
Frauen und Männern in Haus und Wald, drinnen und draußen wird nicht analysiert und aus ökonomischen und historischen Gründen abgeleitet. In großzügigerWeise ersetzen hier Begriffe, die sonst in der Wissenschaft des historischen Materialismus nicht zu finden sind, das analysierende Denken.
2. Soweit zwischen den Zeilen eine Begründung vermutet werden kann, ist es die Annahme geringerer Fähigkeiten der Frau, zum Nahrungserwerb für den Stamm, die Gens, beizutragen. Geringere Körperkraft wird unterstellt.
3. Die Gesellschaft der Jäger, bei der Körperkraft eine Rolle spielt, wird als die einzig mögliche Form des Uberlebens der Menschen in der Urzeit dargestellt. Sammelnde und Bodenbau treibende Gesellschaften, in denen die Frauen den Hauptbeitrag zum Erwerb der Nahrung leisteten, werden übergangen. In diesen waren nämlich Frauen Eigentümerinnen der Nahrungsgrundlagen des Stammes, hatten Handel getrieben und es zu Reichtum gebracht. Das Stammeswesen, die gesamte Kultur wurde von ihnen bestimmt. »Der Jäger... führte ein äußerst prekäres Leben. Hätten die Frauen nicht gleichzeitig die Nahrung gesammelt, wäre die Horde zweifellos verhungert.« 34
4. Den Frauen der Barberei weniger Freude am häufigen Geschlechtsverkehr zuzusprechen als den Männern und sie zur Erklärung mit einem Schamgefühl auszustatten ist eine Projektion des Verhaltens der Frauen im 19. Jahrhundert auf viele tausend Jahre früher lebende Frauen. Wir wissen in der Zwischenzeit, daß dieses sexuelle Verhalten aus gesellschaftlichen Ursachen zu erklären ist. Bei den Sozialisten wird es einfach als dem Weibe von Natur aus innewohnend unterstellt, um zur Annahme der Paarungsehe zu gelangen.
Aber vielleicht sollten uns die Vergangenheit und die methodische Richtigkeit der Denkvorgänge sozialistischer Männer gleichgültig bleiben, wenn sie uns nur in ihren Zukunftsvorstellungen von der Ungleichbehandlung in allen ihren Erscheinungsformen befreien, wenn sie für die Zukunft wissen, wie die Gesellschaft diesen Stand erreichen kann. »Demokratie in der Verwaltung, Brüderlichkeit (Hervorhebung v. Verf.) in der Gesellschaft, Gleichheit der Rechte, allgemeine Erziehung werden die nächste, die höhere Stufe der Gesellschaft einweihen.« 35 Diese gewaltige Zukunftsvision findet sich in einem Kapitel aus Bebels Werk »Die Frau und der Sozialismus«, das er eigens der »Frau in der Zukunft« widmete. Spontan drängt sich die Frage auf, warum einerseits wieder nur Brüderlichkeit in der neuen Gesellschaft zu finden sein soll, andererseits es einen »Mann in der Zukunft« aber nicht gibt, über ihn kein eigenes Kapitel geschrieben werden kann. Soll es keinen veränderten Mann geben? Kann eine neue Gesellschaft gestaltet werden und sich nur eine Hälfte davon ändern müssen? Bebel geht offenbar davon aus, denn im gesamten Kapitel wird der Mann schlechthin als der Maßstab für alles Erstrebenswerte der Frau der Zukunft genommen. »Ihre
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