Tyrannenmord
es Thomsen abermals auf die dumme Tour, aber am Anschwellen seines Kamms erkannte der Polizist nur zu gut, dass er diesmal ins Schwarze getroffen hatte.
Als er anschließend davonfuhr, sah er im Rückspiegel, dass Thomsen sich abermals in seiner typischen, unheilschwangeren Körperhaltung aufgebaut hatte und wie in Stein gemeißelt, drohend hinter ihm hersah.
*
»Hast du gesehen, Anna, unser Sheriff war eben bei dem Kerl da drüben.«
»Klar habe ich das«, antwortete sie ihrem Mann, der in einiger Entfernung hinterm Küchenfenster stand, um nicht gleich gesehen zu werden.
»Aber was kann Hensel schon groß von ihm gewollt haben? Hat sicher, wenn überhaupt, nur eine weitere seiner nutzlosen Verwarnungen ausgesprochen, Holger.«
Das Rentnerehepaar, welches ein landestypisches, reetgedecktes Bauernhaus gleich gegenüber dem Schrottplatz bewohnte, war auf seinen Nachbarn alles andere als gut zu sprechen. Sie hatten ihr Haus erworben und liebevoll renoviert, lange Jahre bevor Thomsen auf der Bildfläche erschien und alles war gut gewesen. Dann starben die alten Leute vom Resthof direkt gegenüber und es war im Dorf von Erben die Rede, die das Anwesen selbst nutzen wollten. Bald darauf hatte Familie Lorenzen fassungslos mit ansehen müssen, wie der neue Besitzer auf dem Anwesen einen Schrottplatz einrichtete, mit einem halben Dutzend mehr oder weniger fahrbereiten Sprintern dauerhaft die Dorfstraße besetzte und es in das verwandelte, was es heute darstellte: Ein Schandfleck direkt am Eingang des Ortes.
Hatte sich Frau Lorenzen auch halbwegs mit dem Zustand abgefunden, so löste der allmorgendliche Blick ihres Mannes auf das Nachbargrundstück schon bald depressive Verstimmungen bei ihm aus. Da Thomsen im ganzen Dorf für seine Rachefeldzüge bekannt war, trauten sie sich nicht, gesetzlich gegen diesen vorzugehen, denn wer hätte sie danach gegen eine Brandstiftung oder einen anderen Anschlag schützen können? Sie traten also auf der Stelle und den einzigen Ausweg, ihren Frieden zu finden, sahen sie schließlich darin, diesen Ort zu verlassen.
»Wir müssen hier weg, Anna«, murmelte denn auch Holger Lorenzen verbittert, während er den bulligen Thomsen zwischen den Autowracks verschwinden sah. »Lieber heute, als morgen.«
»Natürlich, natürlich, Holger, du hast vollkommen recht«, bestätigte seine Frau, »aber weißt du eigentlich, welche Wertminderung wir hinnehmen müssen, bis sich ein ernsthafter Interessent für unser Haus findet? Ist es jetzt noch die Hälfte oder gar nur ein Drittel wert?«
»Oder es findet sich überhaupt kein Käufer mehr. Die werden doch durch den Anblick des zugemüllten Grundstücks alle schon abgeschreckt, da nützt auch der Top-Zustand unseres Hauses nichts«, folgerte ihr Mann bitter. »Selbst das junge Paar aus Rendsburg, das hier gern mit seinen Pferden leben wollte, ist ja wieder abgesprungen. Und was ist erst, wenn wir gesundheitlich die Pflege von Haus und Hof nicht mehr zuwege bringen? Ich denke da nur an meine Arthrose. Und du kannst ja auch nicht mehr so wie du willst. Und woher nehmen wir das Geld her, wenn wir mal selbst betreut werden müssen? Nein, nein, Anna, wir befinden uns in einer ganz beschissenen Zwickmühle.« Holger Lorenzen ballte die Fäuste. »Der Kerl muss irgendwie unschädlich gemacht werden, dann könnte es wieder so wie früher sein.«
»Aber vielleicht, Holger«, versuchte Anna ihren Mann zu trösten und rückte von ihrer anfänglichen Äußerung ab, »erreicht Hensel ja doch etwas und verpasst dem Typen wenigstens mal einen Dämpfer.«
Die schriftliche Bestätigung der Anzeige vom Ordnungsamt folgte auf dem Fuß und so hatte Thomsen nicht nur ein saftiges Bußgeld zu entrichten, sondern musste ein Unternehmen beauftragen, um den aufgeschütteten Wall nebst Unrat beseitigen zu lassen.
Wer Thomsen einigermaßen kannte, denn dessen Verhaltenskodex hatte etwas Zwanghaftes und war deshalb überschaubar, wusste, dass dieser auf Rache sinnen würde.
Nur die Heimtücke seiner Vergeltungsmaßnahmen konnte natürlich keiner so voraussehen und das machte diesen Mann nicht nur unberechenbar, sondern streckenweise geradezu gemeingefährlich.
Thomsen, dessen Weltsicht zudem von der Vorstellung ›Schuld sind immer nur die anderen‹ eingetrübt war, vergaß in seinem verletzten Narzissmus nie. Und dass Thomsen seine Niederlagen nie vergaß, musste auch Hensel spüren. So fehlte an seinem Haus eines Morgens das hölzerne Wagenrad und die handgeschmiedete
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