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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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Rat, Tibet von der Straße aus kennen zu lernen. Dafür gab es in den nächsten Tagen genügend Zeit: Bei manchen Bergsteigungen ging es oft nur im Schneckentempo voran. Schon am ersten Nachmittag krochen wir stundenlang eine schmale Schlucht empor. Während die Pflanzenwelt allmählich von subtropischem Regenwald zu arktischer Wüste wechselte, näherten wir uns Nyelam, das so oft erwähnte Dorf, in dem Milarepa gelebt hatte.
    Unser dunkles Hotel hatte zwar weder Flöhe noch Läuse, doch alle wachten mit drückenden Höhenkopfschmerzen auf. Acht Kilometer weiter auf der Hochebene lag Milarepas Haupthöhle. Die Gelugpas des kleinen Nachbarklosters ließen offenbar nicht ihren begabtesten Mönch die Stelle betreuen. Er lief uns ständig zwischen den Füßen herum und wollte einfach nicht verstehen, was diese Höhle für Karmapas Schüler bedeutet. Schließlich stellte ich ihn in einer Ecke ab, so dass wir uns vertiefen und in Ruhe über das Tal schauen konnten. Dort hatte Milarepa vor knapp 1.000 Jahren Leute und Sitten kommen und gehen sehen. Nur wenige sichtbare Veränderungen waren seit seiner Zeit geschehen.

    In der Milarepahöhle

    Der nächste Halt war auf der Nordstrecke zwischen Nyelam und Shigatse. Wir bekamen eine lange L-förmige Baracke zum Schlafen, deren Schlüssel aber unauffindbar war. Alle schauten höflich zur Seite, während ich mit meinem deutschen Militärdolch die Schlösser aufbrach, ohne dabei die Schneide zu beschädigen. Dieser Dolch ist übrigens in seiner echten Ausführung - mit angeschraubtem, nicht angegossenem Griff - ein wirklich erstklassiges Werkzeug für nur etwa 25 Euro. Ich habe ihn meistens mit dabei, und bei den Tibetern ist er ein sehr beliebtes Geschenk.

    Shigatse war spannend; der Stadtkern war tibetisch geblieben. Die Familie, der das Hotel gehörte, hatte einen schönen Altar, und es gab keinen Zweifel, wo sie standen. Sie machten nicht einmal Schwierigkeiten, als plötzlich Hunderte Tibeter das Hotel stürmten, um meinen Segen zu bekommen.
    Unsere Gruppe ekelte die öffentliche Gehirnwäsche: In den Städten des chinesischen Machtbereiches wurde man um sechs Uhr morgens von riesigen Lautsprechern geweckt und dann den ganzen Tag über mit moralischer und langweiliger Propaganda und eintönigen sozialistischen Gesängen berieselt. Auf dem Berg unter dem zerstörten Königsschloss sah man deutlich die drei Quellen der örtlichen Verunreinigung. Ich dachte daran, wie lange sich wohl Westler so etwas gefallen lassen würden. Es gibt ja so viele Unfälle, die solchen Geräten zustoßen können.
    Da mehrere schon die Höhenkrankheit mit ständigen Kopfschmerzen oder Herzklopfen hatten, wollten wir schnell weiter. Nachdem wir eine Imbissstation geleert hatten, in der sie wohl aus Versehen die Mahlzeiten fast appetitlich anboten, stiegen wir wieder in den Bus. Die Reise wurde immer mehr zur Mutprobe, und meine Schüler bestanden sie. Beinahe die gesamte Strecke lag in vier Kilometern Höhe. Um an dichtere Luft zu kommen, hätte man ein tiefes Loch in die Erde graben müssen. Auf einem endlosen, 5,3 Kilometer hohen Pass wurde eine sechzigjährige Frau ohnmächtig, unsere einzige Touristin. Als Kind hatte sie Tuberkulose gehabt, weshalb ihre Lungen steifer waren. Ich führte sie durch bewusste und unbewusste Zustände hindurch, wie im Sterbeprozess, was ihr nicht nur auf dem Pass weiterhalf. Es setzte so viel Überschuss bei ihr frei, so dass sie sich in Lhasa sofort in einen netten holländischen Arzt verliebte.

    Die Reiseleitung

    Das chinesische Touristenbüro war offensichtlich für Fehlauskünfte und Verbote zuständig, dafür hatten aber unsere geheimen tibetischen Verbindungen sehr gut gearbeitet. Im überfüllten Lhasa erwarteten uns Sönam und andere Freunde, die wir von der ersten Reise aus dem Bernaschol-Hotel in der “Glücksstraße” (Happiness Road) kannten. Sie hatten hier ohne Aufpreis Zimmer für die vierzig Leute aus unserer Gruppe freigehalten.
    Die nächsten Tage widmeten wir Lhasa. Als Reiseleiter besuchten wir jetzt viele Orte, für die wir das letzte Mal keine Zeit gehabt hatten. Im Inneren des Jokhang fühlte ich nicht die große Kraft, aber dennoch betete ich ständig, dass man für Aids und andere Virusarten schnell Gegenmittel finden möge, die sich auch die warmen Länder leisten könnten.
    Die Tibeter hatten alle furchtbare Geschichten zu erzählen, das Überleben vieler ist ohne den Begriff Segen unerklärlich. Die Frauen einiger höher gestellter

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