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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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Gelegenheit den Mönchsstand und die dreijährigen Zurückziehungen; gepriesen wurde jetzt die Weisheit dieser Bücher. Kurz bevor wir Bodhgaya verließen, um bei einer Begegnung der Linienhalter in Rumtek dabei zu sein, machte Kalu Rinpoche uns vieles leichter. Bei seiner letzten öffentlichen Rede – er hielt noch eine allerletzte für einige nahe Schüler in Sonada einen Monat später – entfernte er die Ursachen für Jahre verlegenen Schweigens. Seine Worte erleichterten zutiefst die vielen, die gerne die Welt so gesehen hätten wie er, dabei aber nicht fähig waren, die eigene Erfahrung zu verleugnen. Indem er seine früher so hoch gelobten “Drei-Jahre-Lamas” auf die allgemein menschliche Ebene herabsetzte, auf der die meisten sie sowieso erlebten, durften nun seine Mönche ihren Fähigkeiten gemäß mit unseren Verwirklichern und Laien zusammenarbeiten. Keiner musste jetzt von vornherein besser sein, was so lange eine Verständigung verhindert hatte. Man war jetzt, was man tat, und nicht, was man trug.
    Vor zweihundert Westlern, die gekommen waren, um ihn im Meditationsraum des Klosters zu hören, gab Kalu Rinpoche zuerst einen seiner meisterhaften Überblicke über die Lehre Buddhas. Dann sagte er wörtlich, mit deutlichem Schmerz und unter Erröten seiner Übersetzer: “Es ist eine Anzahl von Drei-Jahres-Zurückziehungszentren gegründet worden, und die Zurückziehungen haben stattgefunden. Doch außer für einige Wenige hat diese Aktivität nicht die wirkliche Frucht gebracht. Die Zurückziehungszentren haben nicht die Früchte getragen, die wir erwartet oder erhofft haben. Der Grund dafür ist, dass die Leute sehr schnell in die Zurückziehung gegangen sind, ohne die Lehre wirklich verstanden zu haben. Während der Zurückziehung waren sie nicht wirklich in der Lage, effektiv zu meditieren. Diese Meditationsweise führt vielleicht zur Buddhaschaft, vielleicht auch nicht. Es ist sehr schwierig zu sagen. Deswegen habe ich zu diesem Zeitpunkt das Übersetzungskomitee gegründet. Es übersetzt den Text “Der Schatz des Wissens” in verschiedene Sprachen. Ich hoffe, dass durch diese Übersetzung jeder den Text in der eigenen Sprache lesen kann. Denjenigen, die eine dreijährige Zurückziehung planen, wird er für das Verständnis der Lehre äußerst hilfreich sein – nicht nur vor, sondern auch nach der Zurückziehung. Er wird ein äußerst nützliches Mittel für das Lehren des Buddhismus sein.”
    Durch seine Erlaubnis, der eigenen Einsicht zu trauen, entwaffnete Kalu Rinpoche zugleich die schrecklichsten aller Buddhisten, die so genannten “Groupies”. Diese waren meist snobistische und in Punkto Liebe unterversorgte Damen oder unzufriedene Mönche, die oft das Umfeld hoher Lehrer beherrschen wollten. Sie spielten sich nach Möglichkeit auf und beklagten sich dabei gerne über diejenigen, die die tatsächliche Arbeit in den Zentren machen. Viele der störendsten Gerüchte waren entstanden, wenn sie im Namen ihrer Lehrer Kleinpolitik betrieben, wobei diese oft nichts davon wussten. Diese Art von Verwirrung verschwand übrigens schnell, als wir – sonderbarerweise erst nach fast zwanzig Jahren – auf den Reichtum unserer westlichen Erfahrung zurückgriffen. Durchsichtigkeit setzt eben die meiste Kraft frei. Dass Kalu Rinpoche jetzt weniger Hackordnung ermöglichte, war wichtig. Wenn seine Lamas dazu bereit wären, könnte nun auch in seinen Zentren ein frischer Wind wehen.

    Liebevolle Augen

    Kalu Rinpoches Verständnis von dem Aids-Skandal bleibt bis heute ungeklärt. Aufgrund eines Mos im Jahre 1981 hatten ihn eigentlich alle für einen Fachmann auf diesem Gebiet gehalten. Damals, als der Virus noch nicht gefunden worden war, hatte er vor unseren Augen feststellen können, dass die Krankheit mit einem Baum in Afrika in Verbindung stand. Hätte er sich mehr Zeit genommen, wäre er vielleicht auch auf die Affen gekommen, die darin wohnen und die Krankheit tragen. Vielleicht glaubte Kalu Rinpoche aber, dass es nur um die damit verbundenen Hautkrankheiten ginge. Als ihn im Februar eine tibetische Edelfrau mit Wunden von gerade entfernten Gesichtswarzen besuchte, sagte er im Spaß, dass sie aussähe, als habe sie mit dem “Regenten” geschlafen.
    Diese Unwissenheit verwunderte vor allem die Anfänger. Sie hören ja schon beim ersten Vortrag, dass der Wahrheitszustand allesdurchdringend ist, und halten üblicherweise ihre Lehrer für erleuchtet. Ob das der Fall ist oder nicht: Einsicht verpflichtet

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